Optimierung im Training: So nutzt du dein Potenzial richtig
Alles fit? Diese Frage kann man sich zum aktuellen Saisonzeitpunkt durchaus einmal selbst stellen. Einige Trainingsmonate dürften bereits hinter dir liegen und damit meldet sich auch die Form zurück. Die steigende Leistungsfähigkeit ist bestenfalls nicht nur spürbar, sondern objektiv zu erfassen. Damit siehst du schwarz auf weiß, ob das Training angeschlagen hat und du auf dem richtigen Weg bist. Die Gelegenheit für eine „Wasserstandsmeldung“ ist jetzt ideal und kann dir dabei helfen, den weiteren Weg zum Saisonhighlight zu optimieren. Schauen wir dabei zunächst einmal auf den Prozess der Trainingsanpassung.
Was passiert beim Training?
Du kannst in dieser Saison bereits auf einen Trainingszeitraum von acht bis zwölf Wochen zurückblicken. In dieser Zeit hat die eine oder andere Anpassung stattgefunden und du bist höchstwahrscheinlich leistungsfähiger als bei einer ersten Standortbestimmung zum Trainingsstart. Diese diente vor allem dazu, dir eine sinnvolle Struktur zu geben. „Jetzt sind die Voraussetzungen völlig andere. Man ist im Training angekommen, es ist fordernd und umfangreich und hat nichts mehr mit einer Eingewöhnung zu tun“, erläutert Coach Björn Geesmann den aktuellen Status. Er teilt den gesamten Trainingsprozess vom Saisonstart bis zum Highlight in drei Phasen ein. Phase eins beschreibt die ersten Trainingswochen einer Saison, bis erstmalig der aktuelle Fitnesszustand mit einem Leistungstest überprüft wird. Hier geht es darum, wieder in die eigene Trainingsroutine hineinzufinden, die zuvor womöglich ein wenig abhandengekommen ist. Die zweite Phase, terminiert zwischen erster und zweiter Leistungsüberprüfung, ist ebenfalls abgeschlossen. Das physiologische Training hat begonnen und bereits Wirkung gezeigt. Die nun anstehende dritte Phase dehnt sich aus bis zu deinem Saisonhighlight. Ziel ist es, deine Physiologie zugunsten einer höheren Leistungsfähigkeit weiter zu verbessern und zu spezifizieren, je näher der Wettkampf rückt. „Die Spezifität, also wie man die Leistung auf die Straße bringen kann, ist jetzt noch nicht relevant. Wir kümmern uns erst einmal um die Verbesserung“, so Geesmann.
Erste Fortschritte zeigen sich relativ schnell. Die haben jedoch nichts mit einer physiologischen Anpassung auf (neuro-)muskulärer Ebene zu tun, die von dem einen oder anderen Wehwehchen begleitet werden kann. In den zurückliegenden Wochen ist das Training jedoch konkreter geworden und jede einzelne Einheit verfolgt ein ganz bestimmtes Ziel. Bildlich kannst du dir vorstellen, ein Auto gebaut zu haben, mit dem du nun an dein Ziel fährst. Nach acht bis zwölf Wochen Training kannst du dir sicher sein, dass sich leistungstechnisch etwas getan hat – selbst wenn du zwischendurch einmal krankheitsbedingt pausieren musstest. „Bei einem FTP-Test sollten fünf bis 15 Prozent mehr Leistung drin sein“, sagt der Coach. Ein Blick auf die sich verändernde Physiologie gibt Aufschluss darüber, wie und warum dies so ist. „Bei einer hohen Leistungsfähigkeit geht es am Ende immer um die Sauerstoffaufnahme, die muskuläre Ansteuerung und die Laktatproduktion“, fasst Björn Geesmann zusammen.
Die entscheidenden Kriterien
Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO₂max) gilt als das entscheidende Kriterium für die Ausdauerleistungsfähigkeit. Mehr Leistung auf dem Pedal, eine höhere Geschwindigkeit beim Laufen – Sauerstoff ist die Voraussetzung dafür. Unabhängig davon, auf welchen Triathlondistanzen du unterwegs bist, lässt sich sagen: Je höher deine VO₂max ist, desto besser. Sie beschreibt den aeroben Stoffwechsel. Dieser ist zwar der langsamste und am wenigsten leistungsstarke Weg der Energiebereitstellung, den wir haben, hat jedoch den Vorteil, dass er durch Fette und Kohlenhydrate und eben Sauerstoff „angetrieben“ wird. Vorteilhaft ist das deshalb, weil Kohlenhydrate und Fette über die Nahrung aufgenommen werden können. Durch die gezielte Zufuhr oder den Verzicht von Kohlenhydraten lassen sich Trainingsreize optimieren. Je mehr Sauerstoff umgesetzt wird, desto mehr Fette werden verstoffwechselt.
Ein ausgeprägter Fettstoffwechsel deutet wiederum auf eine geringe Laktatproduktion (VLamax) hin. Die kennzeichnet den Kohlenhydratstoffwechsel, genauer gesagt die Glykolyse. Das Ziel im Triathlon ist eine niedrige Glykolyse, also ein geringer Kohlenhydratverbrauch. Das gewinnt besonders im Wettkampf an Bedeutung, denn die körpereigenen Glykogenspeicher sind begrenzt. Um zum Bild des Autos zurückzukehren: Die VO₂max ist die Motorleistung, die VLamax der Spritverbrauch. Wer (zu) viele Kohlenhydrate verbraucht, kann also seine Ausdauerleistung nicht voll ausnutzen, weil entweder eine geringere Geschwindigkeit angeschlagen oder ständig „getankt“ werden muss. Die ideale Situation der Physiologie von Triathleten ist also eine möglichst hohe Sauerstoffaufnahme bei gleichzeitig möglichst geringer Laktatbildungsrate. „Diese Aspekte kann man nicht getrennt voneinander betrachten, denn um Fette zur Energiebereitstellung zu nutzen, muss auch mehr Sauerstoff aufgenommen werden“, erklärt Coach Geesmann. Daher sollte im Training stets die Verbesserung beider Parameter berücksichtigt werden. Welcher dabei relevanter ist, hängt derweil von den persönlichen Ambitionen und Wettkampfzielen ab. Zusammenfassend kann gesagt werden: Je länger die Wettkampfdauer, desto wichtiger ist ein geringer Kohlenhydratverbrauch.
Die Bewegungsökonomie nimmt im Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit eine Sonderrolle ein. Sie ist nicht direkt ein physiologischer Marker, hat jedoch besonders beim Laufen und Schwimmen einen großen Einfluss auf die Geschwindigkeit. Die Ökonomie beschreibt, wie viel Sauerstoff bei einem bestimmten Tempo verbraucht wird. Auf dem Rad ist sie deshalb zu vernachlässigen, weil die Bewegungsausführung durch die Kurbelumdrehung kaum Abweichungen unterliegt. Anders als bei der VO₂max und VLamax lässt sich bei der Ökonomie nicht genau sagen, wie sie sich verbessert. Eine gezielte Arbeit an der Lauftechnik könnte helfen, Maximalkraft- und Plyometrietraining könnten durch eine Verbesserung der Sehnensteifigkeit helfen, Hügelläufe könnten helfen – alles im Konjunktiv, denn die Anpassungen sind sehr individuell. Sicher ist jedoch: „Laufen kommt vom Laufen“ und allein das kontinuierliche Training wird zu einer besseren Ökonomie beitragen.
Ausprägung der Verbesserung
Betrachtet man nun eine gestiegene Leistungsfähigkeit in Form einer Schwellenleistung, ist es interessant zu sehen, was genau sich durch das Training verbessert hat. Ohne eine Diagnostik lässt sich dies zwar nicht bestimmen, doch das ist gar nicht schlimm. Ein sinnvoll gestaltetes Trainingsprogramm funktioniert immer mit einer Art Mischkalkulation, mit leichten Verschiebungen zu einem bestimmten Schwerpunkt. Die Mittel- und Langdistanzpläne enthalten beispielsweise häufiger Low-Carb-Einheiten oder Kraftausdauertraining auf dem Rad, während die Kurzdistanzspezialisten vermehrt hochintensive Programme vorfinden, um sich den nötigen Speed zu holen.
Wer auf ein Geheimrezept hofft oder auf eine bestimmte Trainingseinheit, die bei regelmäßiger Ausübung zum schnellen Erfolg führt, den muss der Coach enttäuschen. „Der Umfang ist in allen Disziplinen durch nichts zu ersetzen“, stellt Björn Geesmann klar. Durch eine gewisse Anzahl an Trainingsstunden wird Sauerstoff umgesetzt, und je nach Ausgestaltung des Trainings werden die maximale Sauerstoffaufnahme und der Fettstoffwechsel verbessert. Hier zeigt Coach Geesmann den Unterschied im Training von Profis und Altersklassenathleten auf: „Bei Agegroupern ist die verfügbare Trainingszeit geringer. Deshalb muss so viel Intensität enthalten sein, wie es sinnvoll möglich ist, um viel Sauerstoff umzusetzen.“ Profis würden in Relation zum gesamten Trainingsvolumen mehr Zeit im Grundlagenbereich verbringen.
„Wo genau die Verbesserung stattfindet, ist abhängig von der Vorausprägung“, sagt der Coach. „Je niedriger die Laktatbildungsrate bereits ist, desto stärker wird sich eine Steigerung der VO₂max auf die Schwellenleistung auswirken.“ Hier gibt es eine gute Nachricht für alle „alten Hasen“ im Triathlon, die vorwiegend auf längeren Distanzen unterwegs sind: Die Laktatbildungsrate ist ein sehr stabiler Parameter, der sich über einen langen Zeitraum anpasst – in beide Richtungen. Mit jedem umfangreichen Trainingsjahr sinkt sie entsprechend der genetischen Voraussetzungen von allein und steigt während ein paar Wochen Trainingspause nicht wieder dramatisch an. Grundsätzlich lässt sich die Lebensweisheit „Gut Ding will Weile haben“ wunderbar auf das Training anwenden. „Zwischen einer ersten und zweiten Leistungsüberprüfung geht es darum, alle Vorbereitungen für eine akute Verbesserung zu treffen. Je eher man damit anfängt, desto besser ist es“, so Geesmann. Einerseits benötigen Anpassungen Zeit, andererseits willst du von ihnen im weiteren Trainingsverlauf profitieren und auf deiner „neuen“ Leistung aufbauen. „Ein angepasster höherer Schwellenwert bedeutet mehr Leistung, die im Training erbracht werden muss, was wiederum einen höheren Reiz und eine erneute Anpassung zur Folge hat.“
Vielleicht fragst du dich, wieso deine Trainingspartner größere Leistungssprünge verzeichnen können als du oder umgekehrt. Abgesehen davon, dass dich derartige Vergleiche nicht weiterbringen, ist die Physiologie nicht bei jedem Menschen gleich trainierbar. Die Laktatbildungsrate sei beispielsweise abhängig von der Muskelfaserzusammensetzung, so Björn Geesmann. Diese lässt sich nur bedingt durch Training verändern. „Nicht jeder kann dabei Werte wie ein Profisportler haben. Die VO₂max verhält sich etwas anders. Wenn die Trainingsinhalte, der Umfang und die Regeneration stimmen, kann jeder eine Aufnahme von 60 bis 70 Millilitern erreichen.“
Training auf einem neuen Level
Ob es an der Zeit ist, deine Trainingszonen neu zu ermitteln und anzupassen, wirst du sowohl anhand deines Körpergefühls als auch durch die „nackten Zahlen“ feststellen. Wenn du im Training einen Trend erkennst, dass deine Herzfrequenz bei gleicher Leistung auf dem Rad sinkt oder du beim Laufen eine höhere Geschwindigkeit bei gleichen Pulswerten erreichst, kannst du davon ausgehen, dass sich an deiner Leistungsfähigkeit etwas getan hat und du diese neu bestimmen solltest.
Die schlechte Nachricht: Das Training wird danach nicht weniger hart, obwohl du auf deiner persönlichen Formkurve nach oben geklettert bist. Eine Stagnation ist jedoch grundsätzlich ebenfalls möglich. Bei einem Leistungstest kann dies schlicht an der Tagesform liegen, schließlich handelt es sich immer um eine Momentaufnahme. Schlechter Schlaf, unzureichende Verpflegung oder Erschöpfung können das Ergebnis negativ beeinflussen. In diesem Fall kannst du den Test ein paar Tage später einfach wiederholen. Wenn du allerdings generell das Gefühl haben solltest, keine Fortschritte zu machen, ist Aufmerksamkeit gefragt. „Abgesehen von häufigen oder längeren krankheitsbedingten Trainingsausfällen kann vor allem zu viel Training durch eine falsche Selbsteinschätzung dazu führen, dass eine Verbesserung ausbleibt“, weiß Björn Geesmann. Wenn du jedoch keine groben Fehler gemacht hast, geduldig bleibst und auf den Prozess vertraust, ist es quasi unausweichlich, dass du ein neues Level erreichst.
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