Aerodynamik: Schneller durch Stoff

Da ist es wieder, das Thema Aerodynamik. Ohne scheint es im modernen Triathlon nicht mehr zu gehen, jeder Trinkhalm und jedes Stückchen Bowdenzug werden wegdiskutiert oder besser noch gleich weg konstruiert, damit die Rennmaschine noch ein bisschen windschnittiger wird. Je weiter fortgeschritten, desto teurer wird es, bis hin zum irgendwann nicht mehr messbaren Vorteil. Und dann geschieht im Wettkampf leider allzu oft der Super-GAU: Der Athlet setzt sich auf das Rad und macht alles wieder zunichte. Allerdings nicht, weil er außer Form wäre oder schlecht auf dem Rad säße, sondern weil er den falschen Einteiler trägt.

Einteiler sind inzwischen die beste Wahl, wenn es im Triathlon schnell gehen soll. Der lange übliche Zweiteiler oder die Kombination aus dem Triathlon-Museum – Badehose und Tanktop – können dem einen Stück Stoff aerodynamisch einfach nicht das Wasser reichen. Je mehr nackte Haut nämlich im Wettkampf gezeigt wird, desto schlechter ist das zumindest aus aerodynamischer Perspektive. Da es aber auch beim Einteiler massive Unterschiede gibt und diese hochindividuell sein können, wird die Anzugwahl schnell zur Aufgabe, wenn es um das letzte bisschen Vorteil geht. Genau hinzugucken lohnt sich aber, weil die Ersparnisse im Vergleich zu Feinheiten am Rad wirklich etwas ausmachen. Hierbei wollen wir mit diesem Test helfen. Hier geht es also nicht um den Tragekomfort beim Laufen, den besten UV-Schutz, das Thema Kühlung oder wie schnell man beim Dixi-Stopp raus und wieder reinkommt. Unser Ansatz war es vielmehr, herauszufinden, welcher Einteiler dich auf dem Rad schnell macht, und zu verstehen, warum das so sein könnte. Allein das war schon kompliziert und aufwendig genug. Erstmalig waren wir hierzu nämlich nicht nur im Windkanal, sondern haben ein paar Modelle bis nach Hawaii mitgenommen, um sie auf dem Queen K Highway zu testen.

Grundwissen Wettkampftextil

Es ist leider so: Der Faktor Mensch macht den allergrößten Teil des Windwiderstandes aus, den das Gesamtsystem Rad und Athlet verursacht, Experten sprechen von 80 Prozent und mehr. Hier kann man also am meisten herausholen – oder eben an Potenzial auf der Strecke lassen. Die meisten Hersteller haben das erkannt und bieten eine Fülle von Lösungen an. Jeder irgendwie individuell, vom Prinzip aber doch ähnlich. War es vor ein paar Jahren noch üblich, Triathlon-Textilien aus einem Typ Stoff zu fertigen, egal wo dieser am Körper platziert ist, so setzen heute alle von uns eingeladenen Firmen auf unterschiedliche Texturen, je nachdem, ob es sich um Ärmel und Schultergürtel, die Seitenpanels, Brust, Rücken oder Oberschenkel handelt. Und war der Stoff früher möglichst glatt, weil man annahm, dass dies am windschnittigsten sei, tendiert man heute eher zum Gegenteil, sprich zu rauen Oberflächen. Diese werden hierbei auf ganz unterschiedliche Weise erreicht. Etwa durch Prägungen, wabenförmige Muster, Silikonapplikationen, Netzstoff oder manchmal auch nur eine raue, stoppende, haifischhautähnliche Textur. Triathleten kennen das schon von reinen Schwimmanzügen, hier mit der Intention, Wasser abzuweisen und schnell durch dieses zu gleiten. Aerodynamisch hat es sich nämlich herausgestellt, dass die Luftströmung möglichst lang anhaften sollte, statt – wie bei glatten Oberflächen – schnell abzureißen. Im Laufradbereich hat das ein Hersteller vor geraumer Zeit mal mit sogenannten „Dimples“ auf der Felge für sich schützen lassen. Und mittlerweile gibt es alles vom Aero-Helm bis zur Trinkflasche nach gleichem Prinzip, unabhängig davon, ob es dort auch wirklich sinnvoll ist. Dass dies bei Bekleidung der Fall ist, ist eine Erkenntnis aus dem Profizirkus des Radsports. Ob auf der Straße oder auf der Bahn, hier liegen die Unterschiede oft nur im Sekundenbereich oder darunter, und wenn die Kosten sekundär sind, wie immer, wenn es um olympische Medaillen oder Tour-Siege geht, dann wird eben viel experimentiert. Gerade wenn man sich „marginal gains“ auf die Fahne geschrieben hat, also kleine Verbesserungen, die sich durch Innovationen im Bereich Material aufsummieren, dann liegt hier eine Menge Potenzial. Zwei Firmen, die sich hier in den letzten Jahren hervorgetan haben, waren Castelli aus Italien und der schottische Hersteller Endura. Absurderweise hat der Radsport-Weltverband UCI den Herstellern hier ab 2019 jedoch einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht. Waren die ganzen Oberflächenmodifikationen bis zum letzten Jahr noch erlaubt, so dürfen diese jetzt nur noch maximal einen Millimeter Höhe aufweisen und müssen integraler Bestandteil des Stoffes sein. Grobe Netze etwa oder aufgespendete Silikonstreifen, -punkte oder -dreiecke sind hier jetzt verboten. Dies bedeutet einen technischen Rückschritt um mehrere Jahre, wobei keiner so recht weiß, welche Intention dahintersteckt. Für die Hersteller, die hier in den vergangenen Jahren viel Entwicklungsarbeit geleistet haben, war das natürlich ein ordentlicher Schlag ins Kontor. Für die Triathleten ist das allerdings egal, denn sie dürfen jetzt die Technik nutzen, die hieraus hervorging und die jetzt schneller ist, als die UCI erlaubt.

Als relevante Käuferschicht dürfte der Profiradsport ohnehin nur sekundär und das Engagement eher Imagegründen geschuldet gewesen sein. Richy Thomas von Endura drückt es auch so aus: „Die Triathlon-Szene weiß die neueste Technologie zum Glück sehr zu schätzen.“ Und Bernhard Plainer von Castelli ergänzt: „Der Schwerpunkt unserer Entwicklung wird in Richtung der nicht UCI-relevanten Triathlon-Einteiler gehen. Bei Castelli dann inklusive des Sponsorings solcher Weltklasse-Athleten wie Patrick Lange, Laura Philipp oder Cameron Wurf, die 2019 auf Hawaii allesamt mit einem Prototypen für 2020 am Start waren – den wir leider nicht zum Testen bekamen.

Was bei Rad-Einteilern interessant ist (und im Grunde sind Triathlon-Einteiler eine modifizierte Version, in der man auch schwimmen und laufen kann), ist die Tatsache, dass es in der Spitze sogar noch Unterschiede im Detail gibt, je nach der Geschwindigkeit, für die der Anzug ausgelegt ist. Es macht nämlich einen Unterschied, ob man im Fahrerfeld mit 40 km/h durch Frankreich fährt oder mit 70 km/h und mehr als Sprinter auf der Bahn unterwegs ist. Ein Grund hierfür: Je langsamer man ist, desto früher reißt der Luftstrom ab und der CdA-Wert erhöht sich. Das ist der Luftwiderstandswert und den gilt es immer so niedrig wie möglich zu halten, um möglichst wenig Watt aufwenden zu müssen. Ein bestimmtes Stückchen Stoff an neuralgischen Stellen wie der Außenkante des Ärmels oder im Rückenbereich kann hierbei dann helfen. Im Bereich Zeitfahren gibt es sogar Anbieter, die vor Anfertigung ermitteln, ob die Arme in der Aero-Position eher eng oder breiter auseinander liegen, weil sie danach die Oberflächen der Armstücke gestalten. Und auch wenn die meisten Triathleten unter 40 km/h unterwegs sind, profitieren können auch sie von so etwas. Egal, wie die Oberflächen auch beschaffen sein mögen, eines sollte der richtige Einteiler immer aus aerodynamischer Sicht: Er sollte eng anliegen und nicht flattern. Und dies ermöglichen die modernen, flexiblen Stoffe ohne Ausnahme.

Grafische Darstellung Aerodynamik im Windkanal
Patrick Lange im Windkanal

So haben wir getestet

Unser Test fand Anfang September 2019 in Immenstaad am Bodensee statt. Zusammen mit den Experten von Swiss Side waren wir im GST-Windkanal, um diverse Textilien zu testen. Weil die Zeit im Windkanal teuer ist, mussten wir hierbei strikt durchgetaktet arbeiten, um alle geplanten Set-ups umsetzen zu können. Hierbei wurden Fahrer und Rad auf einer drehbaren Waage vor einer Turbine mit 45 km/h frontal sowie bei plus respektive minus 10 Grad Seitenwind angeströmt. 45 km/h sind so etwas wie der Industriestandard bei solchen Tests. Dabei kommen dann Wattwerte heraus, die das Gesamtsystem Athlet und Rad aerodynamisch erzeugen, auf der Straße käme noch der Rollwiderstand hinzu sowie an Steigungen die Masse. Je niedriger dieser Wert, desto besser. Verwendet wurde immer der gleiche Helm, der bei vorherigen Tests beim Tester am besten war: ein MET „Drone“ in Größe L. Das ist wichtig zu wissen, weil für den Wind Kopf und Oberkörper eine Einheit sind. Als Rad diente ein auf den Tester angepasstes 2019er Canyon „Speedmax CF SLX“ mit allen Anbauteilen (Trinksystem, Storage-Box und eine große Trinkflasche hinter dem Sattel). Verbaut waren zudem Swiss Sides Top-Laufräder „Hadron 800“ in der Felgenbremsvariante. Der Tester ist 1,93 Meter groß, wog zum Testzeitpunkt 86 Kilogramm und bringt jahrelange Erfahrung im Bereich Zeitfahren mit. In der Aero-Position hat er einen geraden Rücken und dadurch mittlerweile einen sehr niedrigen CdA-Wert. Das ist unbedingt zu berücksichtigen, weil andere Fahrer mit anderen Positionen andere Werte und Ergebnisse produziert hätten! Zu Beginn wurde eine Baseline-Messung durchgeführt, an der dann alle weiteren Durchläufe gemessen wurden. Diese Baseline wurde im Testablauf wiederholt, die Ergebnisse waren deckungsgleich. Waren einzelne Test-Runs vermeintlich deutlich zu gut oder zu schlecht, wurden sie wiederholt. Einer lieferte die gleichen Ergebnisse noch einmal, ein Zweiter lieferte deutlich realistischere Ergebnisse, die dann in der Auswertung berücksichtigt wurden. Die Wattwerte in den Ergebnissen stellen den gewichteten Windwiderstand bei 45 km/h und Anströmwinkeln von 0 Grad und 10 Grad dar. Swiss Side nutzt hierzu einen Algorithmus, der auf realen Daten zu Windverhältnissen beruht. Wichtig zu wissen: Hierbei gibt es eine Messtoleranz von circa 0,5 Watt, innerhalb derer Unterschiede zu vernachlässigen sind. Liegen Anzug A und B nur so viel auseinander, kann man in der Praxis davon ausgehen, dass sie gleich gut sind. Erstmalig gab es für uns dieses Jahr bereits im Windkanal die Möglichkeit, mit dem Windmessrechen, einer Eigenkonstruktion von Swiss Side, die Turbulenzen hinter dem Fahrer abzubilden, die maßgeblich für gute oder schlechtere Ergebnisse verantwortlich waren. Man konnte so erstmalig nicht nur messen, welcher Einteiler welchen Widerstand erzeugt, sondern auch mutmaßlich abbilden, warum das so ist.

Marcus Baranski in Aeroposition im Windkanal
Strukturen wie die am abgebildeten Orca-Anzug helfen, dass sich die Stirnfläche nicht durch Abriss „vergrößert“, was schlecht für die Aerodynamik des gesamten Set-ups wäre.

Schneller durch späten Abriss

Die Grafik bildet zwei Einteiler ab: den Ryzon „Myth“ und den Castelli „Body Paint 4.X“. Zu sehen ist, wie der Ryzon den Torso des Testers kompakter und tiefer wirken lässt als der Castelli (rot vs. grün). Grund hierfür ist das spätere Abreißen der Strömung beim Ryzon. Warum das so ist, erläutern wir weiter unten. Die andere Grafik stellt Patrick Lange dar, wie er mit dem gleichen System vom Team seines Sponsors Swiss Side analysiert und optimiert wurde. Interessant zu sehen ist hierbei der Bereich hinter dem Sattel. Hier findet der meiste Druckverlust oder Strömungsabriss statt. Kleiner Exkurs: Deshalb ist dies auch immer der ideale Platz für eine runde Trinkflasche, hier stört sie eben am wenigsten. Und zwar nicht, weil sie vom Körper abgeschirmt wird, sondern weil der aerodynamische „Schaden“ durch den Abriss hinter dem Körper hier eh schon am größten ist. Interessant war, dass wir im Herbst 2019 einen weiteren Test mit Swiss Side auf Big Island durchführen konnten, und zwar auf dem Queen K Highway sowie einer weiteren flachen Teststrecke. Hierzu wurde neben dem Aero-Pod (CdA-Meter) der Schweizer erstmalig auch der mobile Windmessrechen verwendet, der hierbei dann hinter dem Fahrer am Rad montiert wurde. Die Ergebnisse bestätigten die Windkanaldaten dahin gehend, dass der Ryzon Myth wieder deutlich besser als Castellis Body-Paint-Zeitfahreinteiler war.

Auch wenn es hierbei noch um Messtechnik im Prototypen-Stadium ging: Mittelfristig ist es sicher ein interessanter Ansatz, Messungen draußen in freier Wildbahn zu machen und für diese nicht mehr zwingend in den Windkanal gehen zu müssen. Das bisherige Manko: Es braucht neben der funktionierenden und verlässlichen Technik einen Experten, der die generierten Daten entsprechend lesen und analysieren kann. Man darf gespannt sein, wie die Entwicklung hier weitergeht.

Unser Testfeld

Wir haben für unseren geplanten Test im Windkanal im Sommer 2019 alle relevanten Hersteller eingeladen, uns den ihrer Meinung nach schnellsten Einteiler aus ihrem Portfolio zu schicken. Das Problem bei einer solchen Akquise ist oft, dass nicht alle Modelle in der passenden Größe verfügbar sind. Oder dass der Hersteller zwischen zwei Produktzyklen steht und niemand das noch verfügbare, bei Erscheinen des Tests dann aber überholte und vermeintlich schlechtere Modell geben möchte. Oder, und auch das kommt vor, dass manchmal das Testprozedere an sich infrage gestellt wird. In der Summe waren dann aber diese Hersteller dabei: Castelli, Endura, Kiwami, Orca, Skinfit und die beiden deutschen Anbieter PA Suit und Ryzon. Von Castelli bekamen wir zum Vergleich auch einen reinen Zeitfahreinteiler, den Body Paint 4.X, wie ihn der Team-Sky-Nachfolger INEOS im Kampf gegen die Uhr fährt. Für Triathleten wegen der Passform, langen Ärmeln und bis auf das Nummernfach fehlender Taschen nicht relevant, für unsere Einordnung von im Radsport erlaubten vs. beim Triathlon weiter möglichen Modelle aber interessant. Wie schon erwähnt war kein Einteiler nur aus einem Stoff gefertigt und beinahe alle fallen speziell im Ärmelbereich durch eine raue Oberfläche auf. Die Ausnahme hier war der Sanremo-Einteiler von Castelli. Was das Grundmaterial angeht, kann man grob in zwei Felder unterteilen: das klassische, aus dem Radsport bekannte und recht glatte Elasthan, auch unter der Marke Lycra bekannt. Castelli und PA Suit nutzen dies, Castelli auch beim Zeitfahreinteiler. Im Gegensatz dazu nutzen Endura, Kiwami, Orca, Skinfit und Ryzon zumindest in Teilen einen raueren Stoff, der Triathleten von wasserabweisenden und schnell trocknenden Schwimmeinteilern bekannt ist. Dieser stumpfe Stoff stoppt beim Darüberstreichen und ist auf den ersten Blick auch etwas weniger flexibel. Beim Stretchen des Materials wird dieser auch nicht so schnell durchsichtig. Wir haben dazu bei Ryzon nachgefragt. Markus Konrad ist Diplom-Ingenieur für sportmedizinische Technik und der Mann hinter der Spezifizierung beim Einteiler „Myth“. Er sagt hierzu: „Bei der Entwicklung des Myth haben wir von Beginn an darauf geachtet, ein hydrodynamisches Material in einem Triathlon-Anzug zu verwenden. Dieser Stoff ist sowohl im Wasser als auch an Land sehr schnell, was sich in diversen unabhängigen Tests bestätigt hat. Der Stoff hat einen Griff ähnlich wie Sandpapier, was auf mikroskopisch kleine Erhebungen zurückzuführen ist. Ähnlich wie bei einer Haifischhaut, die ebenfalls rau ist und in der Bionik hochtechnologische Ansprüche erfüllt.“ Im Hinblick auf die Testergebnisse ist es also interessant, im Hinterkopf zu behalten, dass ein Material aus dem Schwimmsport auch auf dem Rad eine Idee wert ist.

Keine Übertragung möglich

Bevor wir nun zu konkreten Zahlen kommen, müssen wir dich leider ernüchtern. Vielleicht hast du bis hier gelesen, um dir im Anschluss dann den einen richtigen Einteiler zu kaufen. Auch wenn es so schön gewesen wäre und wir dir dabei gern ganz konkrete Kauftipps gegeben hätten, die Ergebnisse, die wir im Windkanal herausfanden und später auszugsweise auf Hawaii bestätigen konnten, kannst du leider nicht eins zu eins auf sich übertragen. Das liegt daran, dass der Mensch keine Maschine ist und jeder Athlet anders auf dem Rad sitzt. Geht man mal davon aus, dass alle anderen Variablen gleich sind, also am gleichen Tag mit gleichem Equipment und gleicher Geschwindigkeit getestet werden würde, dann wäre selbst bei gleich großen und schweren Athleten nicht damit zu rechnen, annähernd deckungsgleiche Ergebnisse erzielen zu können. Im Radsport war es mal üblich, wegen der Erkältungsgefahr nicht die Top-Fahrer, sondern ähnlich gebaute Helfer in den Windkanal zu schicken. Die Idee dahinter: Man wollte die Ergebnisse danach einfach übertragen. Jan Ullrich etwa schickte seinen gleich großen Schwager zum Testen mit dem Zeitfahrrad. Den Aufwand hätte man sich allerdings sparen können. Verallgemeinerungen, die auf jeden Athleten zutreffen, sind hier schwierig.

Der Einfluss der Position

Was man aber pauschal an Aussagen treffen kann, ist dies: Es hat deutliche Auswirkungen, welche Form der Rücken hat. Ist er rund oder flach? Wo befindet sich der Kopf? In der Waagerechten oberhalb vom Torso, oder – dann mit weniger Stirnfläche – davor? Was für eine Helmform und -haltung findet der Wind beim Übergang zum Torso vor? Wie werden die Unterarme gehalten? Waagerecht oder angewinkelt nach oben? Das ist konkret aus zwei Gründen wichtig: Erstens, weil alle zylindrischen Formen, in diesem Fall dann die Unterarme im Wind, negative Auswirkungen haben. Und es macht einen Unterschied dahin gehend, ob der Wind nach den waagerechten Unterarmen auf die Brustpartie trifft oder durch angestellte Unterarme eher nach außen abgeleitet wird. Und zuletzt der Dauerbrenner unter Triathleten: Kann ich die Position auch dauerhaft für die nötige Zeit halten? All dies beeinflusst ja maßgeblich die Oberkörperhaltung. Und um die Verkleidung des Oberkörpers geht es ja in erster Linie auf dem Rad, wenn man von aerodynamischen Einteilern spricht. Du suchst trotzdem nach Hinweisen für einen schnellen Einteiler? Dann wirf einen Blick auf die Details der einzelnen Modelle und wie sie sich damit im Vergleich schlugen.

Die Testkandidaten im Überblick (an diesen sind auch die aktuellen Modelle angelehnt)

Für unseren Test haben wir zahlreiche Hersteller eingeladen, uns ihre aerodynamischsten Modelle zu schicken. Herausgekommen ist eine Auswahl von sieben Modellen und einem Zeitfahreinteiler, der außer Konkurrenz teilnahm, aber verdeutlicht, wie groß der Unterschied zwischen den Möglichkeiten im Radsport und Triathlon regelbedingt ist. Wichtig: Die Ergebnisse lassen nur Rückschlüsse auf das Abschneiden in der getesteten Position zu. Auffällig ist jedoch, dass raue Stoffe tendenziell besser abschnitten als glatte. Diese Aussage dürfte für die meisten Positionen gelten.

RYZON MYTH AERO SLEEVE TRI RACE SUIT

Größe: M | 248 Watt / 45 km/h

Schlichter Einteiler mit geklebten Nähten und zwei unterschiedlichen Stoffen. Kompression durch enge Passform. An der Ärmelpartie sehr dünner und flexibler Stoff mit geprägtem Wabenmuster. Wasserabweisende Teflon-Beschichtung an Rumpf und Beinen. Verdeckter Reißverschluss, eine abgedeckte Rückentasche.

Größen: XS, S, M, L, XL

€ 349,– | ryzon.net

ORCA RS1 DREAM KONA SUIT

Größe: L | 248,4 Watt / 45 km/h

Einteiler aus zwei Stoffen mit geklebten Nähten. Wabenprägung an Armen und Rücken, Frontpartie und Hose aus wasserabweisendem Material. Keine Taschen!

Größen: XS, S, M, L, XL

€ 299,– | orca.com

ENDURA DRAG2ZERO TRI SUIT II SST

Größe: L | 253,4 Watt / 45 km/h

Aufwendiger Einteiler aus fünf unterschiedlichen Stoffen. Aufgedruckte Silikonpfeile auf den Ärmeln, wasserabweisendes Material auf Brust, Rücken und Beinen, dünne, flexible Seitenpanels. Zwei seitliche Rückentaschen sowie eine Geltasche am hinteren Oberschenkel. Geklebte Nähte.

Größen: XS, S, M, L, XL

£ 349,– | endurasport.com

Fazit

Wie bereits erwähnt ist das Thema Einteiler ein sehr diffiziles, wenn es um die aerodynamischen Eigenschaften geht. Dass es sich aber lohnt, genau hinzuschauen, macht folgende Einordnung deutlich: Zwischen dem hier besten und schlechtesten Triathlon-Einteiler liegen individuell knapp 15 Watt. Würden wir über Aero-Laufräder sprechen, läge die Differenz zwischen aktuellen Modellen nicht mal bei fünf Watt zwischen Spitzenreiter und Schlusslicht, der Kostenfaktor aber um ein Vielfaches höher. Auf die Distanz von 180 Kilometern und runtergerechnet auf 35 km/h kannst du mit dem für dich besten Einteiler in etwa dreieinhalb Minuten sparen. Das gilt zumindest theoretisch, wenn du immer in Idealposition auf dem Lenker liegen würdest, was jedoch praktisch nicht vorkommt. Wichtig ist es für dich zu wissen: Je langsamer du unterwegs bist, desto mehr in absoluter Zeitersparnis ist für dich drin. Optimierte Aerodynamik ist nur was für die Profis? Weit gefehlt! Einschränkend kommt allerdings hinzu, dass wir beim Test die Einteiler in Ruhe so anziehen und die Stoffbahnen so ausrichten konnten, wie sie liegen sollten. Das Ganze in der Hektik nach dem Schwimmen in nassem Zustand und beim Laufen ist noch mal eine andere Hausnummer. Nicht ohne Grund sieht man neben verdrehten Ärmeln immer wieder mal gerissene Nähte oder – aerodynamisch noch schlimmer – kaputte Reißverschlüsse im Rennen. Spannend und bekannt, aber bisher noch nicht abzubilden, war der Unterschied von glatten zu rauen Stoffen – interessanterweise über den Klassiker Oberarm/ Ärmel hinaus. In diesem Bereich kann man es sich so vorstellen, dass der Wind länger haften bleibt, wenn der „Zylinder“ Oberarm, auf dem Aero-Lenker meist senkrecht positioniert, nicht glatt, sondern rau gestaltet wird. Interessant wird es nach unseren Messungen aber auch am Torso. Und hierbei half der Windmessrechen: Beim besten Einteiler von Ryzon, der zum allergrößten Teil aus rauem Stoff besteht, blieb die Luft deutlich länger haften als bei glatten Modellen (siehe die Grafiken). Rau, wie auch immer erreicht, ist also einmal mehr gut. Je weiter man in der Rangfolge nach hinten wandert, umso höher wird dann auch der Anteil des glatten Anteils am Gesamttextil. Etwa bei dem Sanremo von Castelli.

Aerodynamik bedeutet Aufwand

Dass gerade Castelli hier das Schlusslicht bildet, verwunderte allerdings sowohl uns als auch das Team im Windkanal vor Ort. Beim UCI-konformen Einteiler war das zwar erwartbar, aber nicht bei einem 2020er-Modell für Triathleten. Schließlich sind die Italiener seit Jahren sowohl in der Entwicklung als auch sonst immer mit den Testergebnissen ihrer Einteiler ganz vorn dabei. Mit den Ergebnissen konfrontiert, sagte der für Triathlon zuständige Fachmann Bernhard Plainer: „Der getestete ‚Sanremo Short Sleeve 2‘ zielt besonders auf preisbewusste Triathleten ab, die Wert auf ein gutes Gesamtpaket aus Tragekomfort, Bewegungsfreiheit beim Schwimmen und Laufen und Atmungsaktivität legen. Athleten, bei denen bestmögliche Aerodynamik im Vordergrund steht und der Preis zweitrangig ist, finden mit dem ‚PR Speed Suit‘ die perfekte Lösung. Dieser Anzug war zum Zeitpunkt des Tests leider noch nicht fertig entwickelt und somit konnte kein Testmuster zur Verfügung gestellt werden.“ Und das ist auch ein ganz gutes Fazit: Aerodynamik kostet Geld. Um den richtigen Einteiler zu finden, braucht es im Idealfall ein Testverfahren. Mutmaßungen helfen hier nur bedingt weiter. Ebenso solltest du hellhörig werden, wenn dir ein Hersteller seinen Einteiler als den immer und für alle Sportler schnellsten anpreist. Das ist vermutlich wirklich zu schön, um wahr zu sein. Der Aufwand lohnt sich aber. Erstens, weil man hiermit so richtig Zeit sparen kann. Und dann, weil das unter Umständen in den falschen Einteiler investierte Geld ja zum Fenster rausgeschmissen wäre. Du hast einen Einteiler, den du schon seit Jahren für deine Wettkämpfe nutzt? Dann lohnt sicher der Blick auf die aktuellen Modelle auf jeden Fall doppelt. So viel pauschalisieren kann man dann schon.

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