Come back stronger: Den Wiedereinstieg ins Training nach Verletzung oder Krankheit meistern

Gründe für eine Trainingspause gibt es viele: eine längere Geschäftsreise mit durchge­taktetem Zeitplan, berufliche oder private Umstände sowie Verletzungen und Krank­heiten. Die letzten beiden genannten Fak­toren sind immer zu einhundert Prozent unfreiwillig, können aber im Saisonverlauf vorkommen. Wenn man schließlich im Training wieder durchstarten will, ist das nach einer gesundheitlich bedingten Pause oft sehr mühsam und kann mitunter länger dauern, als einem lieb ist.

Keine Angst vor Trainingspausen

Unter den verschiedenen Szenarien einer Trainingsunterbrechung ist die selbst gewählte verhältnismäßig unkompliziert. Dies kann beispielsweise aufgrund eines hohen Stresslevels im Job, dringenden Deadlines oder familiären Umständen der Fall sein. Das Training wäre dann ein zusätzlicher Stressfaktor und kein will­kommener Ausgleich. Die Pause hat also nichts mit gesundheitlichen Einschränkungen, sondern akutem Zeitmangel zu tun. Je nach Dauer der Pause und vorhe­rigem Fitnesslevel kann man im Training da weitermachen, wo man aufgehört hat – ohne das Risiko eines körperlichen Verfalls fürchten zu müssen. Vor einem sogenann­ten Detraining brauchst du keine Angst zu haben. „Es gibt nichts, was im Bereich von drei bis vier Wochen Trainingspause pas­siert, was nicht mit maximal sechs bis acht Wochen Training wieder aufgeholt werden könnte“, beruhigt Coach Björn Geesmann. Freiwillige Pausen sind zudem selten mit einer Bewegungsunfähigkeit verbunden. Selbst wenn an ernsthaftes Training nicht zu denken ist, kannst du dir mit leichten Aktivitäten im Alltag helfen, den Einstieg zu erleichtern und deinen Stoffwechsel auf Trab zu halten. Um eine anschließende Zwangspause zu vermeiden, solltest du dei­ne Motivation allerdings etwas in Schach halten und keinesfalls versuchen, verpasste Einheiten zusätzlich nachzuholen.

Warnzeichen erkennen

Die Gründe für eine Zwangspause sind vielfältig, eine banale Erkältung oder die Grippe gehören definitiv dazu. Hier kommt es darauf an, rechtzeitig die Reißleine zu ziehen. „Wenn man sich insgesamt unfit fühlt, verlangsamte Reaktionen zeigt oder sich nach dem Sport schlechter fühlt als vorher und extrem ausgelaugt, sind das typische Anzeichen dafür, dass etwas im Busch ist“, sagt Dr. Wolfgang Schillings, Sportmediziner am Athleticum des Ham­burger Universitätsklinikums. Man müsse sich nicht direkt ins Bett legen, solle jedoch genau beobachten, wie sich die Symptome entwickeln. Gegebenenfalls könne man mit einer Vitaminsupplementierung oder einem Saunagang nachhelfen. Dazu spä­ter mehr. „Entweder wird es dann deutlich besser oder es geht bergab. Dann kommt man um eine Pause nicht mehr herum“, so Schillings. Das Lokalisieren von Krank­heitsgefühlen wird gern für eine Faust­regel herangezogen: Bei Symptomen ober­ halb des Rachens kann das Training locker fortgesetzt werden, unterhalb des Rachens herrscht Sportverbot. „Da ist etwas Wah­res dran“, sagt Wolfgang Schillings. „Eine pauschale Empfehlung kann man hier aber nicht geben, da die tatsächlichen Empfin­dungen zu individuell sind und das eigene Körpergefühl immer berücksichtigt wer­den muss.“ Sogenannte Red Flags sind für den Mediziner Fieber, Gliederschmerzen und allgemeine Abgeschlagenheit. „In die­sem Fall braucht der Körper wirklich alle Kraft, um sich zu erholen. Sport jeglicher Art würde ihn zusätzlich schwächen und sollte vermieden werden.“

Geduldig bleiben

Irgendwann helfen Ingwertee und Hüh­nersuppe nicht mehr, der Infekt ist da. „Be­sonders die ersten Tage einer Erkältung sind eine sensible Phase“, sagt Dr. Wolf­gang Schillings. „Wenn nur die Nase läuft, man sich ansonsten jedoch gut fühlt, kann man sich locker bewegen, sollte Trainings­umfang und -­intensität jedoch reduzie­ren.“ Wichtig ist an dieser Stelle, dass du absolut ehrlich zu dir bist und im Zweifel die Füße stillhältst. Björn Geesmann rät, sich an Erfahrungswerte zu halten: Welche Symptome habe ich üblicherweise bei einer Erkältung, wie lange dauern sie an und was tut mir gut?

Bei vielen Sportlern gefürchtet ist eine Herzmuskelentzündung, die aufgrund einer zu frühen Wiederaufnahme des Trainings auftreten kann. Doch wie groß ist die Gefahr wirklich? „Bei einem norma­len Schnupfen ist das Risiko sehr gering. Wenn jedoch Fieber oder Husten im Spiel waren, ist große Vorsicht geboten“, warnt Wolfgang Schillings. Er rät dazu, nach Ende der Symptome und Erreichen der Nor­maltemperatur noch eine Woche mit dem Training zu warten. Erreger könnten sich sonst ausbreiten und das Herz befallen. Das kann lebensgefährlich sein. Und zieht eine längere Trainingspause nach sich, als es mit einer vernünftigen Herangehensweise der Fall gewesen wäre. Mit einem medizini­schen Check inklusive Lungenfunktionstest könne man auf Nummer sicher gehen.

Zurück in die Spur

Wenn es schließlich wieder losgehen kann, ist falscher Ehrgeiz fehl am Platz, Geduld dagegen entscheidend. „Die ersten drei bis vier Einheiten pro Disziplin sollten sehr locker absolviert werden“, rät Geesmann. Zudem seien sämtliche Metriken, etwa die Pace beim Laufen oder die Wattleistung auf dem Rad, erst einmal hinfällig. Schließlich treffe die Trainingsstruktur auf ein System, das vorher krank war und sich wieder ein­ grooven muss. Es ist daher nicht verkehrt, wenn du deine Uhr auch mal zu Hause oder in der Jackentasche lässt und dich ganz entspannt nach Körpergefühl bewegst. Du kannst dich darauf einstellen, dass du erst einmal keine Bäume ausreißen wirst. „Dass der Puls nach einer Trainingspause erhöht ist, ist ganz normal und sollte sich nach zwei bis drei Wochen wieder einpendeln. Bei Arrhythmien sollte man allerdings einen Arzt aufsuchen“, sagt Wolfgang Schillings. „Das schlechte Gefühl beim Wiedereinstieg hat nichts mit einem Detraining zu tun, sondern mit der Eingewöhnung“, beruhigt auch Björn Geesmann.

Wenn das Training wiederaufgenom­men wird, muss klar zwischen einer In­fekt-­ und einer Verletzungspause unter­schieden werden. Beide Szenarien sind nicht miteinander vergleichbar. Während eine Erkältung berechenbar ist und nach ei­nem absehbaren Zeitraum in der Regel ohne Komplikationen verschwindet, sind Verlet­zungen sehr divers und können einen langen Rattenschwanz an Folgen nach sich ziehen. Durch Schonhaltungen kann das ursprüngli­che Problem vielleicht beseitigt werden, ein neues jedoch durch einseitige Belastungen auftreten. Die gute Nachricht: Von einer Verletzung sind selten alle drei Triathlon­disziplinen betroffen und das kannst du dir zunutze machen. „Die Transfereffekte zwischen den Sportarten sind nicht zu un­terschätzen“, sagt Coach Geesmann. „Wer gerade nicht laufen darf, kann oft trotzdem Rad fahren und schwimmen, sofern dies die Heilung nicht negativ beeinflusst.“ Von einer Trainingspause könne in diesem Fall keine Rede sein. Sieh das Positive und setze Schwerpunkte in den Disziplinen, die keine Beschwerden bereiten. Davon kannst du zu einem späteren Zeitpunkt profitieren.

Björn Geesmann betont zudem, dass es nicht auf ein paar Wochen ankommt, son­dern auf die Kontinuität. Wenn du dich 20 Wochen auf ein Saisonhighlight vorbereitest und davon vier fehlen, hast du noch gut 80 Prozent des Gesamtumfangs auf der Ha­benseite. Das klingt gar nicht mehr so drama­tisch, oder? Du merkst, eine Trainingspause auf freiwilliger oder unfreiwilliger Basis ist halb so wild. Das Wichtigste sind Geduld und Nachsicht mit dir selbst, dann bist du schon bald wieder „back on track“.

Related Articles

Dunkle Schatten auf strahlenden Helden

Triathleten gelten als tough und zielorientiert. Immer neue Herausforderungen, immer bessere Leistungen. Die Rastlosigkeit kann
dazu führen, dass das System zusammenstürzt. Die mögliche Folge: eine Depression. Triathlon kann mit seinen strukturgebenden Anforderungen aber auch aus der komplexen Krankheit heraushelfen. Zwei Beispiele.

Dunkle Schatten auf strahlenden Helden

Triathleten gelten als tough und zielorientiert. Immer neue Herausforderungen, immer bessere Leistungen. Die Rastlosigkeit kann
dazu führen, dass das System zusammenstürzt. Die mögliche Folge: eine Depression. Triathlon kann mit seinen strukturgebenden Anforderungen aber auch aus der komplexen Krankheit heraushelfen. Zwei Beispiele.

Gefangen im Datenstrudel

Von A wie anaerober Schwelle bis Z wie Zugfrequenz: Im Triathlon gibt es mittlerweile ein gutes Dutzend Metriken und dafür notwendige Tools, um Trainings- und Wettkampfergebnisse zu erfassen. Wir erklären dir, was davon wirklich sinnvoll ist und ab wann das Sammeln von Daten und der Vergleich mit anderen krankhaft wird.

Responses

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert