Cool bleiben: Wie dir die Körperkerntemperatur im Training und Wettkampf hilft

Mehr als 40 Grad Celsius kann die Körperkerntemperatur in Einzelfällen während großer Belastung erreichen. Obwohl diese Temperatur mit der eines starken Fiebers gleichzusetzen ist, ist das Erreichen dieser Sphären während des Sports in den meisten Fällen unbedenklich. Eine erhöhte Körperkerntemperatur kann während des Trainings sogar förderlich für einzelne Anpassungen sein. Wie die Körperkerntemperatur gemessen wird, wie sie sich während des Sports verhält und wie du das Training anhand der Körperkerntemperatur gestaltest, erfährst du hier.

Des Pudels Kern

„Einige unserer Athleten, die bei der letzten Ironman-Weltmeisterschaft in Kona gestartet sind, haben das Pacing nur anhand ihrer Körperkerntemperatur gestaltet, da sie wussten, in welcher Spanne sie sich bewegen können. Dann kann auch die Coolingstrategie klug gestaltet werden“, erklärt Chris Blomfield-Brown. Der Produktmanager ist zuständig für den Core-­Sensor der Schweizer Firma greenTEG. Seit 2020 erhältlich, hat sich der Sensor zur Messung der Körperkerntemperatur bereits auf dem Markt etabliert und ist besonders bei Profiathleten zur Überwachung des Trainings und in Vorbereitung auf Wettkämpfe in Hitze beliebt. Als Mitglied des 2022 gegründeten Unternehmens Santara Tech, an der auch die beiden Ironman-Weltmeister Gustav Iden und Kristian Blummenfelt beteiligt sind, arbeitet greenTEG eng mit den Norwegern zusammen.

Doch warum ist die Überwachung der Körperkerntemperatur gerade bei sportlicher Belastung so wichtig? Als homoiothermes (gleichwarmes) Lebewesen reguliert der Mensch seine Temperatur um einen individuellen Sollwert herum, unabhängig von der Außentemperatur. Dieser liegt meist im Bereich von 35,7 bis 37,3 Grad Celsius. Diese Zahlen betreffen jedoch nur die Körperkerntemperatur, also die Temperatur der lebenswichtigen Organe, die im Alltag üblicherweise mit einem Fieberthermometer annähernd bestimmt werden kann. Die Temperatur der äußeren Körperschale kann deutlich niedriger liegen als die Kerntemperatur, meist bei 32 bis 34 Grad Celsius. Die Kerntemperatur wird vom Gehirn reguliert, während die Schalentemperatur eher von der Hautdurchblutung und den Umgebungsbedingungen beeinflusst wird. Wenn der Mensch beispielsweise einer kalten Umgebungstemperatur ausgesetzt ist, sinkt die Schalentemperatur, während die Kerntemperatur relativ konstant bleiben kann.

Diese Zweiteilung macht sich der Körper zunutze: Bei Hitzestress wird die Durchblutung der Haut verstärkt, was zu einer erhöhten Hauttemperatur und einer größeren Wärmeabgabe an die Umgebung führt. Im Gegensatz dazu verringert sich bei Kältestress die Durchblutung der Haut, was zu einer Abnahme der Schalentemperatur und zur Erhaltung der Wärme im Körper führt. Beim Menschen wird die Temperatur im Hypo­thalamus, einem Gehirnbereich im Zwischenhirn, reguliert, der die Körpertemperatur so steuert, dass sie täglich innerhalb von ±1 Grad Celsius der Ruhetemperatur liegt.

Generell schwankt die Körperkerntemperatur über den Tag jedoch, da sie abhängig von der Aktivität des Stoffwechsels ist: Nachts ist sie am niedrigsten, nachmittags erreicht sie ihren Höhepunkt. Bei men­struierenden Frauen ist sie zudem abhängig von der Zyklusphase.
Zu starke Schwankungen der Körperkerntemperatur können erhebliche Auswirkungen auf das biologische Gleichgewicht des Körpers haben, denn sie spiegelt die Wärmemenge wider, der die Zellen und Organe ausgesetzt sind. Sowohl extrem hohe (> 42 °C) als auch niedrige (< 35 °C) Körpertemperaturen beeinträchtigen die Körperfunktionen stark und in Form von Zell- und Organschäden, eingeschränkter Funktion des Herz-Kreislauf- und Nervensystems oder Muskelschäden. Hohe Körpertemperaturen sind daher auch ein Indikator für die Gesundheit des eigenen Organismus. Fieber, der Definition nach ab einer Temperatur von mehr als 38 Grad Celsius, ist nicht nur ein geeignetes Symptom für die Diagnose einer Infektion, sondern kann auch therapeutisch wirken, da ein Anstieg der Körpertemperatur die Reaktion des Immunsystems verstärken kann.

Aufgrund dieser Abhängigkeit von Stoffwechselaktivität und Körperkerntemperatur ist ein Anstieg jener während der Belastung unausweichlich. Um das Zehn- bis Zwanzigfache kann sich die metabolische Wärmeproduktion während des Sports er­höhen, jedoch werden weniger als 30 Prozent der erzeugten Wärme in Energie umgewandelt. Der Großteil wird an die Umwelt abgegeben. Beim Menschen geschieht das in verschiedenen Formen: Konduktion – Wärmeübertragung über die Haut durch direkten Kontakt, Konvektion – Wärmeaustausch mit Luft oder Wasser, Strahlung – Wärmestrahlung in Form von elektromagnetischen Wellen und Evaporation – Wärmeverlust durch Verdunstung von Schweiß auf der Haut. Ist die Wärmeproduktion größer als die Kapazität, diese abzuleiten, steigt die ­Körpertemperatur an. Eine hohe Außentemperatur führt ebenfalls zu einer ansteigenden Körpertemperatur, da die Haut Wärme nicht nur abgeben, sondern auch absorbieren kann. Eine hohe relative Luftfeuchtigkeit hemmt den Wärmeverlust durch Verdunstung.

Messen, messen, messen

Das Besondere am Core-Sensor: Er misst nicht direkt die Körpertemperatur, sondern die Wärmeabgabe des Körpers an die Umgebungsluft. Nur so sei eine genaue Wiedergabe der realen Temperatur möglich, ohne diese invasiv zu bestimmen, was bislang unter sportlicher Belastung nur schwer möglich war. Das Thermometer ist seit dem 18. Jahrhundert das wohl bekannteste Hilfsmittel, um die Körpertemperatur auf eine ­nicht invasive Weise zu bestimmen, jedoch für eine kontinuierliche Überwachung ungeeignet. ­Üblicherweise wird die Temperatur im Mund, unter der Achsel oder im Ohr bestimmt, etwa während einer Krankheit. Diese ist jedoch nicht äquivalent zur Körperkerntemperatur. Die orale Temperatur weicht um etwa 0,4 Grad Celsius nach unten ab und wird unter anderem von der Atemfrequenz beeinflusst. Auch die Temperatur unter der Achsel ist im Vergleich ungenau, sodass die Messung im Ohr die präziseste aller nicht invasiven Methoden darstellt, allerdings können auch hier ­Unterschätzungen auftreten. Die rektale Temperatur kann annähernd genaue Aussagen über die Körperkerntemperatur geben, jedoch ist die Messung mittels Thermometer invasiv und kann bei Kindern zu Traumata, bei Erwachsenen zu Unbehagen führen, zudem ist sie ebenfalls für die Verwendung während ­einer sportlichen Belastung ungeeignet.

Sogenannte E-Pills ermöglichten es in den Neunzigerjahren erstmals, während körperlicher Anstrengung eine fortlaufende Auskunft über die Körperkerntemperatur zu geben. Diese medikamentenförmigen Kapseln wurden vor dem Wettkampf oder Training von den Athleten geschluckt und gaben eine Auskunft über die Temperatur des Gastrointestinaltrakts. „Leider ist diese Messform extrem teuer. Eine Pille kostet circa 60 Euro und ist ein Einwegmaterial. Man kann nur in einem begrenzten Zeitraum messen“, sagt Mario Schmidt-Wendling, Sportwissenschaftler und Triathlontrainer. „Deswegen ist der Core-Sensor so gut, da er sehr einfach in der Anwendbarkeit ist und genügend Präzision mitbringt. Auch die Kosten sind nur ein Bruchteil von dem, was man für eine kontinuierliche Überwachung der Körperkerntemperatur mit einer E-Pill ausgeben würde.“

Hitze richtig nutzen

„Unsere Athleten benutzen den Sensor auf vier verschiedene Weisen“, sagt Chris Blomfield-Brown, „um ein Bewusstsein für die Temperatur und das Verhalten dieser während der Belastung zu schaffen, für das Training in der individuellen Temperaturzone, für die Anpassung an die Hitze kurz vor Rennen sowie um eine Kühlungsstrategie zu entwickeln.“

Gerade im Training kann die Körperkerntemperatur von ­großem Nutzen sein. Trainiert man am optimalen Wirkungsgrad, ist der Reiz ähnlich einem Höhentrainingslager. Durch den zusätzlichen Stress der erhöhten Körperkerntemperatur vergrößert sich der Anteil des Blutplasmas, also der flüssigen Bestandteile des Bluts. „Dadurch hat man ein größeres Schwitz­reservoir. Der Athlet hat also mehr Flüssigkeit zur Verfügung, er kann mehr und besser schwitzen und hat so auch eine Verzögerung im Anstieg der Körperkerntemperatur. Das ist bis jetzt leider nur empirisch beobachtet und fundiert noch nicht komplett auf wissenschaftlicher Evidenz“, erklärt Schmidt-Wendling. Des Weiteren reagiert der Körper besser auf Hitze und kann sich mit der Zeit effizienter kühlen.

Mit dem Hitzetraining solltest du es trotz der Vorteile jedoch nicht übertreiben, besonders am Anfang: „Es ist ein sehr aggressives Mittel zur Leistungssteigerung und auch nicht unbedingt für jeden geeignet oder notwendig. Hitzetraining ist ein Zusatz und kein Ersatz. Wenn die Basics nicht geschaffen sind, kann man auch damit nichts mehr gerade biegen. Ich würde Hitzetraining auch nicht bei jedem anwenden, da der Stress für den Körper schon ­extrem sein kann“, so der Sportwissenschaftler. „Ich empfehle, die Temperatur erst einmal zu beobachten und ein gewisses Bewusstsein zu schaffen. Wie verändert sie sich und wie reagiert sie auf unterschiedliche Belastungen?“

Dennoch sei es wichtig, sich vor Wettkämpfen unter heißen Bedingungen an die Wärme anzupassen. Schmidt-Wendling: „Für mich als Trainer ist die Körperkerntemperatur ein wichtiger Parameter, weil sie ein Abbruchkriterium darstellt. Steigt sie zu stark und der Athlet kann nicht mehr performen, führt das zu einem DNF. Unter Hitzebedingungen nimmt außerdem die Kohlenhydratverstoffwechslungsrate ab, das heißt, wir können weniger Kohlenhy­drate aufnehmen und in Energie umwandeln. Daher ist es wichtig, die Kerntemperatur erst gar nicht stark ansteigen zu lassen, ­damit auch die energetische Seite nicht leidet.“

Eine Anpassung im Saisonverlauf kann etwa so aussehen: „Entweder plant man einen Hitzeblock alle drei bis vier Wochen in das Training ein oder absolviert einen größeren Hitzeblock von circa zwei Wochen Dauer zu Beginn der Saison. Anschließend sollte jede Woche eine Einheit unter Hitzebedingungen absolviert werden“, empfiehlt Mario Schmidt-Wendling. Gerade hierbei sei es wichtig, nicht zu viel machen zu wollen. „Einige Athleten möchten mehr tun, als ihr Trainer sagt. Doch insbesondere bei Hitze sollte man es nicht übertreiben. Große Mengen an thermalem Stress können die Leistung beeinflussen oder zu hitzebedingten Krankheiten bis hin zum Tod führen“, so Chris Blomfield-Brown. Daher beteiligt sich greenTEG auch an der Nutzung des Core-Sensors im medizinischen Bereich. „Bei einer Sepsis etwa gibt es einen starken Anstieg der Körperkerntemperatur in kurzen Zeiträumen, die wir durch die kontinuierliche Messung identifizieren können. Auch durch die Überwachung des Tag-Nacht-Rhythmus mithilfe des Sensors sind erste Symp­tome einer Parkinson-Erkrankung feststellbar, da hier der normalerweise auftretende Temperaturabfall in der Nacht um etwa acht Stunden verschoben ist.“

Für Sportler sei es wichtig, den eigenen Körper besser kennenzulernen und zu wissen, wie er auf verschiedene klimatische Bedingungen reagiert, und so auch gesundheitlichen Folgen aus dem Weg zu gehen. Die Körperkerntemperatur hat sich in kürzester Zeit von einer unbeachteten Metrik zu einem ­mittlerweile besonders im Profibereich häufig genutzten Parameter ­ent­wickelt. Damit lässt sich das Training spezifischer gestalten, und im Wettkampf kann das Wissen über Sieg oder Niederlage entscheiden. Für Agegrouper empfiehlt sich die Überwachung besonders im Hinblick auf gesundheitliche Aspekte.

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