Gas geben, aber richtig
Auf dem Rad verbringst du als Triathlet im Wettkampf die meiste Zeit – und zwar völlig unabhängig davon, ob du eine Sprint- oder Langdistanz absolvierst. Dementsprechend viel Wert solltest du also auch auf das Training der zweiten Disziplin legen. Ganz egal, wie fit du schon auf dem Rad bist, das Training lohnt sich immer. Auf dem Rad kannst du im Wettkampf viel gewinnen und beispielsweise eine Schwäche beim Schwimmen ausgleichen oder dir einen Vorteil für das Laufen verschaffen. Ebenso viel kannst du allerdings verlieren. Wer sich auf dem Rad verzockt oder schlichtweg nicht ausreichend vorbereitet ist, wird beim Laufen wenig Spaß haben und riskiert im schlimmsten Fall sogar ein DNF. Zum jetzigen Zeitpunkt einen spezifischen Radschwerpunkt zu setzen, ist daher sehr sinnvoll. Und diesen effektiv zu gestalten, ist kein Hexenwerk. Das Training ist vielseitig und es gibt mehrere Schrauben, an denen Sie für eine erfolgreiche zweite Disziplin drehen können.
Mach dich startklar
Bevor du dich ins Training stürzt, solltest du dir zunächst einen Plan machen. Das bedeutet einerseits, dass du deinen aktuellen Fitnesszustand kennen solltest. Coach Björn Geesmann empfiehlt, einen Schwerpunkt auf dem Rad erst dann zu setzen, wenn man bereits einige Wochen Training in den Beinen hat. „Einsteiger sollten erst einmal allgemeine Grundlagen trainieren, bevor sie sich verstärkt auf eine Disziplin konzentrieren“, sagt er. Ebenfalls wichtig: Du solltest absolut gesund sein und dich wohl auf deinem Arbeitsgerät fühlen. Wer nach einer halben Stunde Schmerzen am Knie oder an den Händen bekommt, wird wenig Freude an einer geballten Ladung Radtraining haben. Haken dran? Dann kannst du dich um die Details kümmern und die aktuelle Leistungsfähigkeit bestimmen. Ganz unkompliziert geht das mit einem FTP-Test, den du in der heimischen Pain Cave absolvierst. Anhand der dabei ermittelten Schwellenleistung kannst du schließlich alle Trainingsbereiche ableiten. Wer es genauer wissen möchte, geht den Weg ins Labor und absolviert eine Leistungsdiagnostik. Danach kennst du dein persönliches physiologisches Profil, deine Stärken und Schwächen und kannst anschließend gezielt daran arbeiten. Du solltest allerdings bedenken, dass die Trainingsinhalte nicht nur davon abhängen, sondern in erster Linie von deinem persönlichen Ziel. Willst du bei einem Ligastart mit deinem Team Vollgas auf der Kurzdistanz geben, deine erste Langdistanz finishen oder dich sogar für eine Weltmeisterschaft qualifizieren? Oder ist die zweite Disziplin bisher deine schwächste und du willst genau das ändern? Diese Fragen sollten zunächst beantwortet werden.
Formel für die Form?
„Das Radfahren ist im Triathlon immens wichtig – und zwar nicht nur beim Radfahren selbst, sondern letztendlich auch für das Laufen. Wer auf dem Rad nicht gut trainiert ist, hat schon verloren, bevor er überhaupt losläuft“, erklärt Björn Geesmann. Kommen wir also nun zu den Parametern, die für diesen guten Trainingszustand wichtig sind, und beginnen bei den inneren Werten. „Rein physiologisch gibt es eigentlich nur zwei Dinge, die relevant sind“, sagt Geesmann. „Das aerobe System muss möglichst groß sein, das anaerobe möglichst klein.“ Die leistungsbestimmenden Faktoren für diese beiden Systeme sind die maximale Sauerstoffaufnahme (VO₂max) und die maximale Laktatbildungsrate (VLamax). Sie beeinflussen einander und können als Gegenspieler betrachtet werden. „Je größer die VO₂max und je kleiner die VLamax, desto höher ist die Schwellenleistung und desto besser der Fettstoffwechsel“, so der Coach. Das gilt erst einmal für jeden Athleten, unabhängig von der Wettkampfdistanz. Dennoch müssen die leistungsbestimmenden Faktoren und somit auch die Trainingsinhalte differenzierter betrachtet werden. Eine hohe Sauerstoffaufnahme ist für jeden Athleten vorteilhaft. Eine geringe Laktatbildungsrate beziehungsweise ein ausgeprägter Fettstoffwechsel gewinnt allerdings besonders mit zunehmender Wettkampfdauer an Bedeutung. Auf der Kurzdistanz sind sie nicht ganz so entscheidend wie bei einer Mittel- oder Langdistanz. „Wer im Wettkampf auf dem Rad nur eine Stunde Vollgas geben muss, wird sich nicht dagegen wehren können, eine gewisse Menge an Kohlenhydraten zu verbrennen“, sagt Geesmann. Das ist aufgrund der kurzen Renndauer auch gar nicht schlimm. Bei einer Langdistanz muss der Fettstoffwechsel jedoch dafür sorgen, dass die Kohlenhydratspeicher bestmöglich geschont werden, um bis ins Ziel, und vor allem noch beim abschließenden Lauf, Energie liefern zu können. Wie du sowohl das aerobe als auch das anaerobe System passend zu deinem Ziel optimierst, dazu später mehr.
K3-Training
Hochschalten bitte! Das K3-Training dient der Ausprägung der Kraftausdauer. Die Intensität liegt bei 88 bis 100 Prozent der Schwellenleistung. Entscheidend ist dabei allerdings eine niedrige Trittfrequenz von 50 bis maximal 70 Umdrehungen pro Minute. Folgende Einheit können Sie auf dem Smarttrainer oder draußen an einem Anstieg mit „dickem Gang“ absolvieren:
> 10 Minuten einfahren
> 3 x 6 Minuten K3 (50 bis 70 U/min) mit je 5 Minuten Pause im G1-Bereich
> 10 Minuten ausfahren
Neben der Physiologie ist die Sitzposition ein Faktor, der im Training nicht außer Acht gelassen werden sollte. „Auf einer Langdistanz sollte man in der Lage sein, auf jeden Fall 95 Prozent der Zeit in Aero-Position zu verbringen“, sagt Björn Geesmann. Du solltest dich daher möglichst frühzeitig um die passende Einstellung deines Fahrrads kümmern und genug Zeit einplanen, um dich an die Position zu gewöhnen. Dabei geht es übrigens im ersten Schritt nicht einmal um maximale Aerodynamik und Wattersparnis. „Wenn die Position bequem ist, man schmerzfrei und ohne kribbelnde Hände oder eingeschlafene Füße auf dem Rad sitzt, ist das die halbe Miete“, sagt Geesmann. Wenn du den Wettkampf auf einem Triathlonrad absolvieren möchtest, solltest du dieses auch im Training bereits regelmäßig nutzen. Nicht ausschließlich, aber zumindest bei wettkampfspezifischen Schlüsseleinheiten. Damit sind wir beim nächsten wichtigen Punkt: der Ernährung. Sie ist einerseits natürlich dazu gedacht, die Trainingsqualität während der Einheit sicherzustellen. Gleichzeitig musst du den Gesamtkontext eines Triathlons im Blick behalten. Wenn du die Kohlenhydrat- und Flüssigkeitsversorgung auf dem Rad vernachlässigst, kann das Rennen schnell vorbei sein. „Auf der Mittel- und Langdistanz sollte jeder Athlet einen exakten Plan haben, wie er sich verpflegt“, rät Björn Geesmann. Das bedeutet, dass du üben musst, wie viel Gramm Kohlenhydrate du pro Stunde zuführen kannst, ohne dass der Magen-Darm-Trakt Probleme bereitet. Für dieses Training sollte die Einheit so nah wie möglich an die Wettkampfbelastung herankommen – ein hochintensives Training, bei dem du dich am Limit bewegst, wäre ebenso ungeeignet wie eine lockere Grundlagenausfahrt. Wie bei der Sitzposition gilt bei der Ernährung ebenfalls: Taste dich langsam an Ihre Variante heran. Du solltest verschiedene Produkte und Lebensmittel ausprobieren, um dir deinen persönlichen Fahrplan zu erstellen.
Kohlenhydratperiodisierung
Die Kohlenhydratperiodisierung, also eine gezielte Reduktion beziehungsweise Zufuhr an Kohlenhydraten, dient der Ausprägung des Fettstoffwechsels und der Senkung der Laktatbildungsrate. Ein solches Training sollte unbedingt im Grundlagenbereich absolviert werden und zu Beginn nicht länger als eine Stunde dauern. Komplett auf Kohlenhydrate verzichten musst du nicht, es sollten vor der Einheit allerdings maximal 20 bis 30 Gramm sein.
Trainingsbausteine richtig einsetzen
Du weißt nun, was nötig ist, um auf dem Rad richtig durchzustarten. Jetzt gilt es, diese Erkenntnisse in Form zu bringen und mit praktischen Trainingsinhalten zu füllen. Als Triathlet stehst du vor der Herausforderung, neben dem Radfahren im Normalfall noch zwei andere Disziplinen im Trainingsplan unterbringen zu müssen sowie die eine oder andere Athletikeinheit. Ein verstärkter Fokus auf das Radtraining steht dem nicht im Wege. „Der große Vorteil beim Radfahren ist, dass man keinen Impact auf den Sehnen und Gelenken hat, wie es beim Laufen der Fall ist. Ein Radschwerpunkt lässt sich sehr gut mit den anderen Disziplinen vereinbaren, ohne diese einschränken zu müssen“, sagt Björn Geesmann. Er rät allerdings davon ab, in dieser Schwerpunktphase eine intensive Einheit auf dem Rad mit einem Koppellauf zu kombinieren. Hinsichtlich der Intensität des Trainings solltest du unbedingt das gesamte Belastungsgefüge im Blick behalten: Du musst sicherstellen, dass sowohl die Trainingsqualität als auch der wöchentlich angestrebte Umfang aufrechterhalten werden können. Intensive Einheiten zielen in erster Linie auf die Verbesserung der VO₂max ab und gehören daher unbedingt zum Programm. Sie sollten allerdings mit Bedacht ausgewählt werden. EB- oder Schwellenintervalle werden bei 100 Prozent der Schwellenleistung gefahren oder ganz leicht darüber. Sie wirken sich positiv auf die Sauerstoffaufnahme aus, jedoch ohne dabei die Laktatbildungsrate in die Höhe zu treiben – perfekt für Mittel- und Langdistanzathleten. Noch intensiver wird es mit sogenannten IE-Intervallen. Die Belastung wird dabei mit 130 Prozent der Schwellenleistung absolviert. Diese Trainingsmethode ist gut geeignet für Athleten auf der Kurzdistanz: IE-Intervalle verbessern ebenfalls die maximale Sauerstoffaufnahme, können sich allerdings nachteilig auf die Laktatbildungsrate auswirken.
Um diese gezielt zu senken, hast du zwei Trainingsoptionen, an denen du dich bedienen kannst. Option eins: Kraftausdauertraining. Dabei fährst du mit „dickem Gang“ und einer Trittfrequenz von 50 bis 70 Umdrehungen pro Minute. Die Intensität liegt nur knapp unterhalb der Schwellenleistung, was diese Trainingsmethode zu einem anspruchsvollen Programm macht, an das man sich gewöhnen muss. Option zwei: Training mit reduzierten Kohlenhydratspeichern. Das Ziel ist, vermehrt Fette zur Energiebereitstellung heranzuziehen. Dazu gestaltest du die Mahlzeit vor dem Training bewusst kohlenhydratarm. Die anschließende Einheit muss unbedingt im Grundlagenbereich absolviert werden. Du kannst dabei jedoch G2-Intervalle oder eine Trittfrequenzpyramide einbauen, bei der alle 30 Sekunden die Trittfrequenz um zehn Umdrehungen nach oben oder unten verändert wird. Damit schulst du gleichzeitig die Motorik. Wer mit dem kohlenhydratreduzierten Training gut zurechtkommt, kann auch das Kraftausdauerprogramm ab und zu auf diese Weise durchführen. Nach sechs bis acht Wochen kannst du überprüfen, ob das Training gewirkt hat – die zweite Wechselzone erreichst du jetzt mit Leichtigkeit, oder?
EB-Intervalle
Der Entwicklungsbereich (EB) liegt bei 91 bis 105 Prozent der Schwellenleistung. Sie trainieren die VO₂max, ohne dabei die Laktatbildungsrate anzuheben. Eine Einheit könnte folgendermaßen aussehen:
> 10 Minuten locker einfahren
> 4 x 4 Minuten im EB-Bereich mit jeweils 4 Minuten Pause im G1-Bereich
> 10 bis 15 Minuten ausfahren
Die Belastungszeit kann auf bis zu acht Minuten verlängert werden.
IE-Intervalle
Bei „Intermitted Exercises“ (IE) wird es noch intensiver. Ein Intervall dauert eine Minute mit je 30 Sekunden Be- und Entlastung. Die Belastung wird bei 130 Prozent, die Entlastung bei 55 Prozent der Schwelle gefahren.
> 10 Minuten einfahren
> 3 x 10 x 30/30 Sekunden, zwischen den Blöcken 6 Minuten G1
> mindestens 15 Minuten ausfahren
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