Gut versorgt ins Ziel: Kohlenhydratgels unter der Lupe

Kleine Tüten, die nach oben hin flaschenartig zulaufen und an einer Lasche aufgerissen werden können. Die Konsistenz des Inhalts reicht von flüssig bis breiartig. Bei den Geschmacksrichtungen ist die Vielfalt groß: Apfel, Orange, Minze, Kaffee, Karamell, Cola oder Erdbeere decken nur einen Teil der Palette ab. Ausdauersportler kennen sie, weil sie zur Grundausstattung bei langen Einheiten und Wettkämpfen gehören. Die Rede ist von Energiegels, die es von vielen verschiedenen Herstellern gibt. Auch wenn die Gels sich je nach Marke in ihrer Zusammensetzung unterscheiden, haben sie alle den gleichen Nutzen: Sie liefern einerseits schnell Energie, die andererseits aber auch längerfristig anhalten soll. Dafür enthalten sie verschiedene Zuckerarten, also Kohlenhydrate, die vom Körper unterschiedlich schnell aufgenommen werden können. Außerdem sind in den Gels oftmals Mineralstoffe enthalten, die den Verlust ebendieser durch Schweiß ausgleichen sollen, und Koffein. Wir haben uns einige Inhaltsstoffe genauer angeschaut.

Auf die Frage, welche Bestandteile eines Gels wie wirken, gibt es keine generelle Antwort. Wie bei den meisten sportbezogenen Themen ist auch die Wirkung eines Gels individuell. Was bei einem Athleten besonders ausgeprägt hilft, kann bei dem anderen kaum einen Nutzen haben. Grundsätzlich funktioniert die Energiebereitstellung im menschlichen Körper jedoch immer gleich: Um Leistung zu bringen, wird Energie benötigt, die der Körper aus der Nahrung, den Makronährstoffen, bezieht. Ziel ist die Herstellung des Treibstoffs ATP (Adenosintriphosphat). Bei Ausdauerbelastungen geschieht das durch die Verbrennung von Kohlenhydraten und Fettsäuren aus den körperinternen Speichern, dem Glykogenspeicher und dem Fettspeicher, unter Zuhilfenahme von Sauerstoff. Energie aus der Verbrennung von Kohlenhydraten, also aus dem Glykogenspeicher, kann der Körper schneller beziehen, das Muskelglykogen ist jedoch begrenzt. Hinzu kommt, dass zur Fettverbrennung, und damit zur Energiebereitstellung aus dem Fettspeicher, mehr Sauerstoff benötigt wird als zur Energiebereitstellung durch Kohlenhydrate. Vereinfacht gesagt bedeutet das, dass bei intensiven Ausdauerbelastungen vermehrt Muskelglykogen verbraucht wird, bei extensiven Belastungen greift der Körper auf Fettreserven zurück. Bei Sprints, wie zum Beispiel beim 100-Meter-Weltrekord von Usain Bolt in Berlin 2009, wird die benötigte Energie ohne Sauerstoff durch ATP bereitgestellt, aber das nur am Rande. Glykogen wird in der Muskulatur und der Leber gelagert, wobei die Muskeln mit bis zu 500 Gramm deutlich mehr Glykogen speichern können. Werden keine Kohlenhydrate nachgefüllt, ist der Glykogenspeicher der Muskulatur irgendwann leer und man fällt in ein sprichwörtliches Loch. Um das zu verhindern, muss während langer Belastungen Energie zugeführt werden. Und hier kommen die bekannten Energiegels ins Spiel.

Kohlenhydrate

Kurzkettige Kohlenhydrate in Form von Zucker sind der Hauptbestandteil der meisten Gele. Maltodextrin, Glukose und Fruktose, mindestens einer, wenn nicht sogar mehrere von ihnen, sind immer enthalten. Glukose ist das kleinste Molekül, in das der Körper alle Zuckerarten aufspaltet. Je längerkettiger der Zucker, desto länger dauert es auch, bis die Ketten gespalten sind und die Energie zur Verfügung steht. Nimmt man Glukose zu sich, steht die Energie dem Körper zwar schnell zur Verfügung, genauso schnell ist sie aber dann auch wieder weg. Deswegen ist die Kombination der Zuckerarten wichtig. Eine Verbindung aus einem einkettigen und einem zweikettigen Zucker ist zum Beispiel Maltodextrin, die Basis vieler Energiegels. Maltose, der Malzzucker, ist ein Zweifachzucker. Dextrose, besser bekannt als Traubenzucker, ist ein Einfachzucker und somit der Soforttreibstoff, der den Blutzuckerspiegel schnell ansteigen lässt, aber auch genauso schnell wieder abgebaut wird. Maltose wird langsamer aufgespalten, steht also später zur Verfügung, ist aber dafür länger anhaltend. Maltodextrin hat außerdem den Vorteil, dass es nicht so süß schmeckt und deswegen auch bei langen Belastungen eine echte Wohltat für die Sensorik sein kann.

Fruktose

Wie auch Glukose ist Fruktose ein Einfachzucker, der vom Organismus schnell verarbeitet wird und zügig Energie liefert. Betrachtet man die Zutatenlisten verschiedener Gels, fällt jedoch auf, dass einige Hersteller mit Fruktose werben, andere wiederum damit, dass in ihren Produkten keine Fruktose vorhanden ist. 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung in Mitteleuropa hat eine Fruktose-Intoleranz, diese Menschen können Fruchtzucker über den Dünndarm nicht richtig aufnehmen und bekommen Verdauungsprobleme, wenn sie Fruktose zu sich nehmen. Betroffene sollten bei ihrer Trainings- und Wettkampfernährung logischerweise auf Produkte ohne Fruktose setzen. Für alle anderen kann Fruktose aber durchaus hilfreich sein. In Kombination mit Glukose können auf diese Weise pro Zeiteinheit mehr Kohlenhydrate aufgenommen werden als bei nur einer Zuckerart.

Koffein

Koffein hat im Körper zwei Wirkungen: Zum einen sorgt es für die Ausschüttung der Stresshormone Kortisol und Adrenalin, die dem Körper wieder einen „Ruck“ geben, zum anderen blockiert es die Adenosinrezeptoren im Gehirn und verhindert dadurch, dass dem Körper Müdigkeit signalisiert wird. Beides sind Effekte, die beim Ausdauersport durchaus hilfreich sein können. Deshalb wird der Stoff oft in Energiegels zugesetzt. Allerdings kann bei Koffein auch ein Gewöhnungseffekt eintreten, der die gewünschte Wirkung verpuffen lässt. Menschen, die große Mengen konsumieren, verspüren dann einfach nichts. Vorsicht: besser nicht nach dem Motto „Viel hilft viel“ auf noch mehr Koffein setzen, um gegen Müdigkeit anzukämpfen. Übermäßiger Konsum sorgt für innere Unruhe, steigenden Blutdruck und es können Magen-Darm-Beschwerden folgen – nichts, was man am Wettkampftag erleben möchte. In Maßen ist Koffein jedoch hilfreich, sofern es vertragen wird. Etwa 5,7 Milligramm Koffein pro Kilogramm Körpergewicht über den Tag verteilt sind laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit unbedenklich. Eine Einzeldosis sollte nicht mehr als drei Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht beinhalten.

Elektrolyte

Beim Sport verliert der Körper durch den Schweiß wichtige Nährstoffe und Salze. Um diesen Verlust auszugleichen, enthalten viele Energiegels Elektrolyte. Natrium, Kalzium, Magnesium und Co. versorgen die stark belasteten Knochen und Muskeln. Eine Unterversorgung macht sich unter anderem durch Krämpfe und Schmerzen während des Wettkampfs oder im Training bemerkbar und hat schon einige Athleten zum Aufgeben gezwungen.

Aminosäuren

Einige Energiegels enthalten auch Aminosäuren, die Bestandteil jeder Zelle sind und vom Körper ebenfalls zur Energiegewinnung herangezogen werden können. Als Bausteine der Proteine dienen Aminosäuren jedoch vor allem dazu, nach der Belastung bei der Regeneration zu helfen. Sie reparieren die Zellen und wirken so dem Abbau der Muskulatur entgegen. Dafür werden oft die BCAAs Leucin, Isoleucin und Valin angeführt. BCAA steht für „branched chain amino acids“ und bezeichnet verzweigtkettige Aminosäuren. Die stimulieren die Muskelproteinsynthese und sollen einen positiven Effekt auf die Muskelversorgung haben, genauso wie Kreatin. Studien zeigen jedoch, dass es keine positiven Effekte hat, Aminosäuren während der Belastung zu sich zu nehmen, außerdem sind die Mengen meistens ohnehin sehr niedrig. Gels gibt es wie erwähnt in unzähligen Geschmacksrichtungen. Mal sind die klebrigen Pasten bereits ansatzweise aufgelöst, mal konzentriert in der Packung. In jedem Fall sollte man immer darauf achten, zusätzlich zur Einnahme genügend Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Dadurch wird die Blutkonzentration reguliert und die aufgenommenen Nährstoffe können besser verwertet werden. Wichtig ist es in jedem Fall, die richtige Verpflegung vor dem großen Tag zu testen. Probiere beim Training aus, was dir schmeckt und was du in welchen Mengen verträgst. Nur so gewinnst du Sicherheit, dass am Renntag alles glattgeht. Generell kann man beim Radfahren größere Kohlenhydratmengen zu sich nehmen als beim Laufen, wie viel jeder verträgt, ist aber individuell. Bei zu vielen Kohlenhydraten in zu kurzer Zeit drohen Verdauungsprobleme und das Rennen kann im schlimmsten Fall erfolglos auf dem Dixi-Klo am Streckenrand enden. Und bei aller Wissenschaft, die in der Zusammensetzung der Gels steckt, darf auch der Geschmack nicht vernachlässigt werden. Die Inhaltsstoffe können noch so gut sein – wenn die Wettkampfernährung nicht schmeckt, ist damit niemandem geholfen. Aber das Angebot ist ja bekanntlich groß.

Related Articles

Responses

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert