High Noon: Training in der Mittagspause
Time is money – Zeit ist Geld. Gezahlt wird im Triathlon mit Leistung. Und du willst bei deinem Wettkampf solvent genug sein, um es deinen eigenen Ansprüchen entsprechend ins Ziel zu schaffen. Dabei kommt es auch auf dein Zeitmanagement an. Viel hilft viel – diese Weisheit ist von vorgestern. Stattdessen musst du den richtigen Fokus und effektive Reize setzen, um die Gleichung aus Investition und Ertrag auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu bringen. Eine einfache Rechnung. Ergänzend zum Trainingsplan kann auch die halbstündige Einheit in der Mittagspause einen erheblichen Return on Investment bieten. Richtig eingesetzt, zahlen die Mittagspauseneinheiten in Bezug auf die Wettkampfform ordentlich auf das eigene Triathlon-Konto ein. Du musst aber gut strukturiert sein.
Eines vorab: Laut geltendem Arbeitsrecht ist eine Mittagspause Pflicht. Gemäß Paragraf 4 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) ist sie als Ruhepause anzusehen. Arbeitest du mehr als sechs Stunden pro Tag, muss die Auszeit am Mittag mindestens 30 Minuten umfassen. Bei Arbeitstagen, die länger als neun Stunden sind, werden 45 Minuten gesetzlich vorgeschrieben. Der Sinn besteht darin, sich auszuruhen, die Energiereserven aufzutanken, geistig und körperlich erholt an den Arbeitsplatz zurückzukehren und soziale Kontakte zu den Kollegen zu pflegen.
Diese Prämissen schließen Sport nicht aus. „Gerade bei diesen Einheiten sollte man aber sensibel sein, weil sie im Arbeitsumfeld geschehen. Da ist das eigene Körpergefühl entscheidend, um die Frage zu beantworten, ob man wirklich mittags Sport treiben soll und kann“, sagt Björn Geesmann, Sportwissenschaftler des Trainingsinstituts HYCYS und Mastermind hinter unseren Trainingsplänen von power & pace. „Im Zweifel sollte man einfach eine halbe Stunde locker und entspannt laufen gehen, wenn man den Kopf vom Stress freibekommen will.“ Setze dich auf keinen Fall unter Druck und nutze die Mittagspause nicht als Kompensationseinheit, falls du eine andere Session aus deinem Trainingsplan ausfallen lassen musstest. „Eine verpasste Zwei-Stunden-Einheit vom Wochenende durch eine halbstündige auszugleichen, klappt eigentlich nie“, so Geesmann.
Wenn du in der Pause trainierst, solltest du bedenken, dass du dir selbst Zeit für ein ruhiges Mittagessen raubst. Die Verpflegung rund um diese Einheit ist also ebenso wichtig wie das Training selbst. Schließlich hast du nicht nur deinem Körper, sondern auch deinem Arbeitgeber gegenüber eine Verpflichtung: Du solltest nach der Session wieder produktiv sein können und nicht komplett in den Seilen hängen.
Die Trainingsmöglichkeiten
Radfahren
Du hast insgesamt nur eine Stunde Zeit? Mach das Beste draus. Das Rad startklar machen, sich umziehen – alles frisst Zeit. Du musst effizient und pragmatisch agieren. Nach dem Aufstieg in den Sattel kann es nicht direkt in die Vollen gehen. „Zehn Minuten aufwärmen sind immer ein wichtiger Bestandteil“, betont Coach Björn Geesmann.
IE-Einheit: Für das kurze Radtraining in der Mittagspause favorisiert Coach Björn Geesmann IE-Einheiten: Fahre insgesamt sechs bis zehn Minuten wechselnde Belastungen aus Intensität und Erholung, je nachdem ob Ihnen nach einberechnetem Warm-up und Cool-down zehn oder weniger Minuten zur Verfügung stehen.
Die Intensität sollte dabei im Bereich der VO2max liegen. „100 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme ist analog zu 120 bis 130 Prozent der individuellen Schwellenleistung“, erklärt Geesmann. Liegt deine Schwellenleistung bei 250 Watt, solltest du in diesem Fall in der Belastungsphase 300 bis 320 Watt fahren.
Inhalt
> 10 Minuten einfahren
> 6 x (30 Sekunden VO2max + 30 Sekunden locker)
> 10 Minuten ausfahren
Wer diese Belastung als zu gering einschätzt, hat mehrere Optionen:
> Variiere die Länge der Intervalle hin zu 40/20 Sekunden
> Erhöhe die Wiederholungszahl
> Erhöhe die Leistung
„Die Athleten sollten auf jeden Fall mit 6 x 30/30 Sekunden beginnen. Das ist eine zackige Belastung. Wer das verträgt, kann auf acht oder zehn Wiederholungen steigern. Anschließend wieder bei sechs Wiederholungen anfangen und die Belastungszeit auf 40 Sekunden ausdehnen“, erläutert Björn Geesmann. Wer bei 10 x 40/20 angekommen ist, kann auch noch die Leistung erhöhen.
Schwellenintervalle: Die Zeit drängt, daher verliere so wenig wie möglich davon mit Nebensächlichkeiten. Möchtest du in der Mittagspause Schwellenintervalle fahren, muss alles perfekt aufeinander abgestimmt sein, damit du rechtzeitig wieder am Arbeitsplatz bist. Bei Intervallen von 4 x 4 Minuten bist du bereits 44 Minuten auf der Strecke. Vielleicht kannst du die Mittagspause ausdehnen. Oder du kürzt die Intervalle ein.
Inhalt
> 10 Minuten einfahren
> 3 x (3 Minuten an der anaeroben Schwelle + 2 Minuten locker)
> 10 Minuten ausfahren
Alternativ: Anzahl oder Länge der Intervalle erhöhen, so wie es noch in die Mittagspause passt.
Laufen
Der älteste Sport der Menschheit hat einen großen Vorteil: Nahezu jede Einheit liefert einen Trainingsreiz. Während eine lockere Radfahrt durch die Stadt ohne Auswirkungen auf die eigene Leistungsfähigkeit bleiben kann, ist die Belastung bei einem halbstündigen lockeren Lauf intensiver und wirkt sich positiv aus. „Die Einheit darf im Zweifelsfall auch einfach nur auf die wöchentliche Kilometerleistung abzielen“, sagt Björn Geesmann. Wer statt 30 in Zukunft 40 oder 50 Kilometer pro Woche laufen möchte, kann das Ziel durch zwei bis drei Einheiten pro Woche in der Mittagspause anvisieren. Auch Schwellenintervalle sind in der Mittagspause möglich, könnten aber wie auf dem Fahrrad zeitlich knapp werden. „Ein lockerer Lauf sollte im Wochenplan nicht fehlen. Die Intensität muss nicht vorrangig im Fokus stehen, wenn es trotzdem effektiv sein soll.“
Intensiver Dauerlauf: Die Einheit wird bei 77 bis 90 Prozent der Schwellenleistung absolviert. Geesmann empfiehlt für die Mittagspause 80 Prozent. Liegt Ihre Schwellenleistung im Bereich von 5:00 Minuten pro Kilometer, bedeutet das, dass du dich mit einer Durchschnittspace von 6:00 Minuten einläufst und anschließend die Geschwindigkeit auf 5:30 Minuten steigern. Beim Auslaufen wieder auf eine 6:00-Minuten-Pace drosseln.
Inhalt
> 10 Minuten einlaufen
> 2 x (5 Minuten bei 80 Prozent der Schwellenleistung + 3–4 Minuten locker)
> 10 Minuten auslaufen
„Höhentraining“: Flachlandläufer kommen hoch hinaus. Von Bergan- bis zu Treppenläufen: „Deiner Kreativität sind keine Grenzen gesetzt“, sagt Björn Geesmann. Beachte aber die beim Laufen im Vergleich zum Radfahren erhöhte Belastung des Bewegungsapparats und das erhöhte Verletzungsrisiko. „Man sollte nicht in jeder Mittagspause Treppenläufe machen. Es reicht, wenn man zwei- bis dreimal pro Woche laufen geht und ein- bis zweimal Steigerungs- oder Treppenläufe einbaut“, so Geesmann. Laufe dich in jedem Fall locker ein und aus.
Die Nahrungsaufnahme und der Bedarf an Nährstoffen sind zwar individuelle Themen, worauf du im Rahmen des Mittagspausentrainings aber nach Möglichkeit nicht verzichten solltest, sind Kohlenhydrate. Das impliziert bereits die Länge der Einheit: 30 bis 45 Minuten lassen kaum direkte Auswirkungen auf den Fettstoffwechsel zu. Planst du eine Mittagspauseneinheit um zwölf Uhr, bedeutet das für dich, dass du morgens gegen acht Uhr mit einem kohlenhydratreichen Frühstück in den Tag starten solltest: Toastbrot mit Honig beziehungsweise Marmelade oder Haferflocken mit Milch und Banane. Im Laufe des Vormittags solltest du zwischen 10 und 10:30 Uhr noch einen Snack, etwa eine Banane, mit ausreichend Energie vertilgen. Du kannst auch kurz vor der Einheit ein Gel verdrücken und so die Verträglichkeit deiner Wettkampfverpflegung überprüfen. Nach der Trainingssession stehen erneut Kohlenhydrate auf dem Plan, falls du nicht zeitnah bis 16 Uhr ein verspätetes Mittagessen nachholen kannst. Wie wäre es mit einem am Abend zuvor vorbereiteten Nudelsalat? So klappt auch das Schwimmtraining, das abends eventuell auf dem Programm steht, ohne Probleme.
Du merkst schon: Der Tag ist klar strukturiert. Davon ist auch das Training nicht ausgenommen. Gehen wir davon aus, dass dir in der Mittagspause insgesamt eine Stunde zur Verfügung steht, schränkt das den Umfang der Einheiten bereits stark ein. Umziehen, Warm-up, Cool-down, eventuell duschen, wieder umziehen – subtrahieren wir Vor- und Nachbereitung, bleiben eine halbe Stunde bis maximal 45 Minuten Nettozeit für dein Programm. Diese Zahl begrenzt auch die Trainingsdisziplinen.
Rein in die Laufschuhe und los – die letzte Triathlondisziplin ist in der Mittagspause die erste Wahl. Unkomplizierter kann man die freie Zeit sportlich nicht nutzen. Laufen geht nahezu überall. Beim Radfahren sieht es ähnlich aus, auch wenn Vor- und Nachbereitung etwas umfangreicher ausfallen und rote Ampeln oder Verkehr für ungewollte Pausen sorgen und Laub sowie nasse Straßen zur Gefahr werden können. Ideal ist in diesem Fall ein Rollentrainer oder ein Fahrradergometer in unmittelbarer Nähe zum Arbeitsplatz.
In den meisten Fällen dürfte darüber hinaus das Schwimmen als Mittagseinheit wegfallen. An- und Abfahrt zum und vom Schwimmbad oder See, Vor- und Nachbereitung – die erste Disziplin ist zu umfangreich, als dass eine Einheit von dann vielleicht noch acht bis zehn Minuten im Wasser sinnvoll erscheint. Damit verbunden wäre viel Stress – und der soll in der Mittagspause abgebaut werden.
Konzentrieren wir uns daher auf die anderen beiden Triathlondisziplinen. „Einige Athleten nehmen an, dass 30 Minuten sich nicht lohnen und es egal ist, ob sie die Zeit zum Training nutzen. Das ist richtig – wenn man die halbe Stunde nicht mit geeignetem Inhalt füllt“, sagt Björn Geesmann und erklärt: „Es geht in diesen Einheiten darum, die Sauerstoffaufnahmekapazität zu erhöhen.“ Um die VO₂max, also die maximale Möglichkeit, Sauerstoff in der Muskulatur zu verarbeiten, zu erhöhen, reichen ergänzende regelmäßige Einheiten über 30 Minuten aus. „Das Prinzip ist einfach: Je weniger Zeit einem Athleten zur Verfügung steht, desto höher wird die Intensität angesetzt“, verdeutlicht Geesmann. Der Vorteil für alle Athleten: Steigt die VO₂max, hat das auch indirekt positive Effekte auf den Fettstoffwechsel, weil sich die anaerobe Schwelle verschiebt. „Jemand, der in der Mittagspause trainiert, gehört eher zu den ambitionierteren Athleten. Der wird anderweitig so viele Umfänge trainieren, dass man sich um die Erhöhung der Laktatbildungsrate keine Sorgen machen muss, nur weil er 8 x 30/30 Sekunden fährt“, betont Geesmann und bilanziert: „Effizienter wird man die halbe Stunde auf dem Fahrrad nicht nutzen können.“
Wir zeigen dir an einigen Beispielen, wie du mehr aus deiner Mittagspause machst, wenn du 30 Minuten Nettotrainingszeit investierst. Dein Lohn: Leistungssteigerungen, die eigentlich unbezahlbar sind.
Zwei Trainingsoptionen
Intermitted Exercises: Bei dieser Einheit macht sich der Athlet die Trägheit der Sauerstoffaufnahme zunutze, um diese und die aerobe Ausdauer zu steigern. Das Prinzip ist einfach: Ist die Sauerstoffaufnahme durch ein kurzes intensives Intervall in die Höhe getrieben, fällt sie in der jeweiligen Pause nicht so schnell ab. Durch die wiederholte kurzfristige Anstrengung bleibt sie bis zum Ende auf konstant hohem Niveau. Absolviert der Athlet zehn mindestens 30 Sekunden lange Abschnitte mit hoher Intensität und legt jeweils eine 30-sekündige Pause ein, entsprechen diese insgesamt fünf Minuten Nettobelastungszeit einem Effekt wie bei einem zehnminütigen Trainingsreiz. „Die Sauerstoffaufnahme wird während des Wechsels leicht variieren, aber immer auf einem hohen Niveau bleiben, solange man eine Belastung obendrauf setzt“, erklärt Geesmann den Effekt.
Schwellenintervalle: Die Einheit trainiert den aeroben Stoffwechsel. In relativ kurzer Zeit wird verhältnismäßig viel Energie und somit auch Sauerstoff umgesetzt. Um nicht zu viel Laktat anzuhäufen beziehungsweise dessen Bildung nicht zu stark anzukurbeln und so das Trainingsziel zu verfehlen, werden die Intervalle um die individuelle anaerobe Schwelle gefahren. Erfahrene Athleten können die Länge der Intervalle steigern, entsprechend wird dann auch die Pause zwischen den Intervallen verlängert.
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