Klares Ziel im Triathlontraining: Schlüsseleinheiten

Es gibt Trainer und Top-Athleten, die sagen, dass es so etwas wie Schlüsseleinheiten gar nicht gibt. Jede Einheit sei gleich wichtig und wenn ein Schlüssel zum Trainingserfolg existiere, dann sei dies Kontinuität. Eine Ansicht, die man durchaus teilen kann, allerdings bezieht sich diese Sichtweise nur auf die physiologische Anpassung des Körpers auf das absolvierte Training. Schlüsseleinheiten können jedoch auch etwas anderes meinen, nämlich Einheiten mit einem ganz bestimmten Erkenntnisgewinn – Training, das eine Antwort auf eine zuvor gezielt gestellte Frage gibt. „Triathlon ist eine Fehlervermeidungssportart und in den sogenannten Schlüsseleinheiten geht es neben dem physiologischen Effekt vor allem darum, möglichst viele Fragezeichen, die man hinsichtlich des anstehenden Rennens hat, zu streichen“, sagt Coach Björn Geesmann, der die Pläne von power & pace verantwortet. Und die dringend benötigten Antworten erhalte man eben dadurch, dass man die entsprechende Rennsituation durch den Inhalt der Einheit simuliere. Arbeitet mein Fettstoffwechsel zufriedenstellend? Sitze ich optimal auf dem Rad? Geht meine Verpflegungsstrategie auf? Funktioniert der Wechsel aufs Laufen und kann ich danach die nötige Leistung bringen? Nur wenn man diese Fragen alle mit „Ja“ beantworten kann, ist man auf dem richtigen Weg zur persönlichen Bestform. Und diesen Weg darfst du auf keinen Fall zu spät einschlagen: Je größer die Baustelle, desto früher im Saisonverlauf sollte die Frage beantwortet werden. Ein Beispiel: Ist der Hauptwettkampf, wie bei den Plänen von power & pace Ende Juni (25.6.2023) vorgesehen, sollte die Wettkampfernährung nicht erst von Anfang Mai bis Mitte Juni getestet werden. Spätestens im April gilt es damit zu beginnen, schon mal auf längeren Einheiten die Verpflegung unter Belastung auszuprobieren. Das muss dann gar nicht an einem Tag X passieren. Der Erkenntnisgewinn kann sich auch einstellen, indem man dreimal die gleiche Einheit absolviert und unterschiedliche Erfahrungen macht. Beim ersten Mal saugt man noch alle Eindrücke auf, die zweite Einheit bringt vielleicht schon eine Verbesserung und beim dritten Mal passt zum ersten Mal alles und man fühlt sich in einem bestimmten Punkt gerüstet für den Wettkampf.

Ganz typische Schlüsseleinheiten sind zum Beispiel Koppeleinheiten, bei denen auf dem Rad durch gezielt eingebaute Elemente ein Ermüdungszustand hergestellt wird, der wiederum dem direkt angeschlossenen Lauf eine beabsichtigte Vorgeschichte gibt. Wichtig ist hier, dass du die Aufgaben mit gut gefüllten Speichern angehst, um es nicht schwieriger zu machen, als es im Wettkampf wäre, wo du dich ja auch um eine lückenlose Versorgung kümmerst. Zudem sollte es auch nicht zu kompliziert werden, indem du versuchst, zu viele Erkenntnisse auf einmal zu gewinnen. Besser ist es, aufzuteilen. So kannst du zum Beispiel frühzeitig im Trainingslager ausprobieren, ob dir das angedachte Gel schmeckt und ob du es verträgst, wenn du mehrere pro Stunde verdrückst. Ist das der Fall, kannst du es auch unter größerer Belastung probieren. Nach dem Grundsatz: vom Einfachen zum Speziellen.

Kurzdistanz

Gerade in der Vorbereitung auf die kurzen Triathlondistanzen ist das Koppeln extrem wichtig. Man muss jedoch stark die Ambitionen berücksichtigen. So ist beim MOVER der Wechsel an sich das zentrale Element, Umfang und Intensität hingegen zunächst mal egal. Sogenannte Multikoppeleinheiten (siehe Beispiel) lassen sich auch hervorragend im Fitnessstudio absolvieren. Die Sitzposition spielt hier erst mal keine Rolle, sodass man für den Radpart auch aufs Indoor-Bike hüpfen kann. Für den anschließenden Lauf geht es dann aufs Laufband und danach alles wieder von vorn. Den kompletten Triathlon müssen Anfänger nicht unbedingt durchspielen. Das wäre auch logistisch enorm aufwendig. Es reicht, wenn man eine Teilkombination simuliert. Laufen nach dem Radfahren ist hier der Klassiker, der ganz einfach die unterschiedlichen biomechanischen Anforderungen nachspielt. Für den CHAMPION wird es darauf ankommen, dass er die notwendigerweise sehr schnellen Wechsel simuliert und die ersten Minuten hart anläuft. Auch auf dem Rad sollte die Intensität zwischenzeitlich hoch sein, um Erkenntnisse aus den Schlüsseleinheiten ziehen zu können.

Mitteldistanz

Bei der Vorbereitung auf eine Mitteldistanz kommen die geforderten Distanzen schon recht nah an die Wettkampfdistanzen heran, wenn man sie einzeln absolviert. Im Koppeltraining ist man aber noch ein ganzes Stück weit davon entfernt, da es auch hier eher um den Wechsel an sich geht als um eine lange und harte Belastung nach dem Radfahren durch das Laufen. Beim Schwimmen kommt es vor allem auf die Abläufe an (orientieren, Bojen anschwimmen, Neo ausziehen etc.), die Distanz wird nach dem Training kein Problem sein und kann im Training auch mal komplett im Neo als Freiwassereinheit gemacht werden. Für den Test der Verpflegung kann es sinnvoll sein, einen kürzeren Trainingswettkampf zu machen. Was hier funktioniert, sollte auch auf der Mitteldistanz die richtige Wahl sein.

Langdistanz

Wenig überraschend geht es in den Schlüsseleinheiten für die Langdistanz darum, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie der Körper auf lange Belastungen reagiert. Da jedoch die einzelnen Wettkampfdistanzen zu lang sind, um sie im Training ohne Überforderung aneinanderzureihen, kommt dem Koppeltraining eine Schlüsselrolle zu. Es ist wichtig, dass du auf dem Rad eine muskuläre Vorbelastung sicherstellst, aber du solltest dabei auf keinen Fall Situationen herbeiführen, die du auch im Wettkampf nicht erleben willst. So wäre es zum Beispiel kontraproduktiv, eine Koppeleinheit nüchtern anzugehen, nur um zu spüren, wie sich leere Speicher beim Laufen anfühlen. Und auch der Zeitpunkt ist wichtig: So sollte eine harte Schlüsseleinheit, die Erkenntnisse bringen soll, nicht am fünften Tag eines harten Belastungsblocks stattfinden, an dem man ohnehin stark ermüdet ist. Beim Test der Verpflegung gilt: von einfach zu komplex. Ob du ein Gel magst, solltest du zuvor auf einer Solo-Ausfahrt herausgefiltert haben. Die Koppeleinheit kannst du dann nutzen, um auszuprobieren, ob du eben jenes Gel auch noch im G2-Tempo auf dem Rad und beim anschließenden Laufen herunterbekommst.

Alle Trainingsbereiche im tabellarischen Überblick für das Schwimmen, Radfahren und Laufen findest du auf powerandpace.de/trainingsplan.

Je nach Trainingskategorie könnte eine Schlüsseleinheit wie folgt aussehen:

MOVER

In dieser Einheit geht es darum, den Wechsel an sich zu üben und ein Gefühl für die unterschiedlichen Belastungen zu bekommen. Die Abläufe sollen sich einschleifen, sodass sie im Wettkampf keine Herausforderung mehr darstellen. Richte dir dafür eine kleine Wechselzone ein und erstelle dir einen Ablaufplan, den du wiederholt durchgehst.

Ablauf als Multikoppeleinheit

Insgesamt 2 x wiederholen

Rad

> Umfang: 0:30 h

> Gleichmäßig im G1-Bereich rollen.

Koppellauf

> Umfang: 0:15 h

> Nach einem kurzen Aufwärmen gleichmäßig im DLext-Bereich laufen.

ALLROUNDER

Bei dieser Koppeleinheit kommt es darauf an, dass du deine Ernährung im Griff hast. Achte schon auf dem Rad auf eine ausreichende Kohlenhydratzufuhr (alle 25–30 Minuten 0,4–0,5 g pro Kilogramm Körpergewicht). Dies kann ein erster Test deiner Ernährungsstrategie sein, in den du auch den anschließenden Koppellauf einbeziehst.

Rad

> Umfang: 1:30 h

> Nach dem Einfahren im G1-Bereich für 3 x 8 min im G2-Bereich fahren im Wechsel mit 6 min im G1-Bereich. Die restliche Zeit der Einheit im G1-Bereich rollen.

Koppellauf

> Umfang: 0:35 h

> Nach dem Aufwärmen 2 x 5 min im DLint-Bereich laufen im Wechsel mit 5 min im DLext-Bereich. Die restliche Zeit der Einheit gleichmäßig im DLext-Bereich laufen.

CHAMPION

Diese Schlüsseleinheit ist sehr intensiv und soll die extreme Belastung des Wettkampfs in Teilen simulieren. Nach einer harten Radeinheit mit eingestreuten EB-Intervallen beinhaltet auch der direkt anschließende Koppellauf Schwellenintervalle.

Rad

> Umfang: 2:30 h

> Nach dem Einfahren im G1-Bereich für 3 x 6 min im EB-Bereich fahren im Wechsel mit 5 min im G1-Bereich. Anschließend etwas Zeit im G1-Bereich rollen und dann 3 x 8 min im G2-Bereich fahren im Wechsel mit 6 min im G1-Bereich.

FINISHER

Um sich ans Koppeln heranzutasten und den Belastungswechsel zu trainieren, ist es vollkommen in Ordnung, wenn du für den Anfang nach einer längeren Radausfahrt 30 Minuten komplett ohne Pace-Vorgabe läufst. Die Beispieleinheit zielt darauf ab, nach einer Radeinheit mit realistischer Kohlenhydratversorgung (alle 25–30 Minuten 0,4– 0,5 g pro Kilogramm Körpergewicht) einen relativ kurzen Lauf anzuschließen, der jedoch gewisse Tempowechsel beinhaltet, um dem Körper nicht nur „lang und langsam“ zu signalisieren. Auch hier soll die Verpflegung aufrechterhalten werden.

Rad

> Umfang: 3:00 h

> Nach dem Einfahren im G1-Bereich für 5 x 10 min im G2-Bereich fahren im Wechsel mit 12 min im G1-Bereich. Die restliche Zeit der Einheit im G1-Bereich rollen.

Koppellauf

> Umfang: 0:35 h

> Nach dem Aufwärmen 2 x 5 min im DLint-Bereich laufen im Wechsel mit 5 min im DLext-Bereich. Die restliche Zeit der Einheit gleichmäßig im DLext-Bereich laufen.

QUALIFIER

Da es für den Qualifier um mehr als ums Ankommen geht und auch die Marathonzeit eine Rolle spielt, hat diese Schlüsseleinheit nach einem zweistündigen Radpart mit Intensität und realistischer Verpflegung (alle 25–30 Minuten 0,4–0,5 g pro Kilogramm Körpergewicht) ein echtes Brett für den Koppellauf im Angebot. Mit zwei Stunden erreichst du die maximale Länge für einen Koppellauf, und auch hier kommst du nicht ohne Programm davon. Bei den intensiven Dauerlauf-Bestandteilen kannst du innerhalb der Range mit dem Tempo spielen, damit sich neuronal kein Trott einschleicht. Als Alternative kannst du einfach die zweite Stunde schneller laufen als die erste. Wichtig: Halte beim Laufen die Kohlenhydratversorgung aufrecht.

Rad

> Umfang: 2:00 h

> Nach dem Einfahren im G1-Bereich für 3 x 15 min im G2-Bereich fahren im Wechsel mit 12 min im G1-Bereich. Die restliche Zeit der Einheit im G1-Bereich rollen.

Koppellauf

> Umfang: 2:00 h

> Nach dem Aufwärmen 4 x 10 min im DLint-Bereich laufen im Wechsel mit 8 min im DLext-Bereich. Die restliche Zeit der Einheit gleichmäßig im DLext-Bereich laufen.

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