Leistungsfähiger durch Licht? Der Einfluss von Farben auf die Leistung

Die Welt ist bunt. Farben und Licht bedeuten Leben. Im Laufe der Jahrmillionen hat die Evolution dafür gesorgt, dass die Natur in unterschiedlichen Nuancen erstrahlt und jede davon ihre eigene Wirkung auf Menschen (und Tiere) besitzt. Farben und auch Licht steuern gewissermaßen unser Verhalten. Und das ganz unbewusst, egal ob es um Ernährung, Abschreckung, Orientierung oder Erholung geht. Das menschliche Auge hat sich auf dieses Zusammenspiel mit der Natur eingestellt und kann mehr als 20 Millionen Farbtöne sehen. Das Wissen darum hat sich unter anderem die Werbeindustrie zunutze gemacht und steuert unser unbewusstes Verhalten bewusst durch Licht- und Farbgestaltungen. Auch beim Sport lassen sich beide Faktoren gezielt einsetzen, um bewusst unbewusste Reaktionen der Psyche und des Körpers hervorzurufen und so die Leistung zu steigern oder die Regeneration zu beschleunigen.

Drei Wirkungswege von Licht

Die Wirkung von Farben und Licht auf den Menschen ist dabei zwar evolutionär bedingt, aber nicht ausschließlich. Die Effekte gehen teilweise auch auf den kulturellen Einfluss und die individuellen Erfahrungen zurück, die ein Mensch im Laufe seines Lebens gemacht hat. Prof. Dr. Nino Wessolowski, Psychologe an der Medical School Hamburg, forscht unter anderem mit dem Schwerpunkt „Wirkung des Lichts auf menschliches Verhalten und Erleben“. Er verdeutlicht: „Grundsätzlich sind die Auswirkungen von Licht und Farbtönen abhängig davon, worauf man konditioniert ist.“ 

Um den Einfluss von Farbe und Licht auf die Trainingssteuerung zu verstehen, muss deren Wirkung in unterschiedlichen Situationen betrachtet werden. Nur wer die geeignete Farbe und Lichtstimmung für individuelle Situationen kennt, wird leistungsfähiger, konzentrierter oder erholt sich schneller. Licht besitzt drei Wirkungswege auf die menschliche Psyche. Der banalste und am deutlichsten wahrnehmbare Aspekt ist der visuelle. Dabei geht es lediglich darum, dass wir bei hellem Licht besser sehen können als bei dunklem. „Licht hat in diesem Zusammenhang ebenfalls Auswirkungen auf die Farbkontraste, die wir sehen können“, verdeutlicht Prof. Dr. Wessolowski, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Licht und Farbe besteht.

Als zweiter Aspekt lassen sich nicht visuelle, biologische Auswirkungen feststellen. „Denen wird erst seit den Jahren 2002 genauer gesagt 2004 verstärkt nachgegangen“, so Wessolowski. Damit handelt es sich um ein vergleichsweise neues Forschungsfeld. Der Psychologe erklärt: „Wir wissen, dass helles Licht mit hohem Blauanteil im Körper die Menge an Melatonin reduziert und Cortisol ausschüttet. Es hat eine generell aktivierende Funktion, was auch mit Blick auf sportliche Belastungen spannend sein kann.“ Und das nicht nur kurzfristig. Wessolowski berichtet: „Die Wirkung von Licht auf den zirkadianen Rhythmus ist in diesem Bereich relativ gut erforscht. Wir können den tageszeitlichen Körperrhythmus gut durch Licht steuern. Es scheint also einer der wesentlichen Zeitgeber zu sein, die unseren zirkadianen Rhythmus immer wieder synchronisieren.“ Als zirkadianer Rhythmus wird der Biorhythmus innerhalb eines Zeitraums von 24 Stunden beschrieben, also typischerweise der Schlaf-wach-Rhythmus des Menschen.

Der dritte Wirkungsweg von Licht ist psychologisch. „Dabei geht es unter anderem darum, dass der Mensch auf Licht wie auf jeden anderen Gegenstand konditioniert werden kann. In diesem Zusammenhang kommt zusätzlich die Farbpsychologie ins Spiel und die Frage, was für Erfahrungen wir unter welchem Licht gesammelt haben. Das kann individuell und kulturell unterschiedlich sein“, so Wessolowski. So verhält es sich auch mit der Wirkung von warmweißem (2.700 bis 3.300 Kelvin), neutralweißem (bis 5.300 Kelvin) und kaltweißem oder Tageslicht (ab ca. 5.300 Kelvin) in all deren Abstufungen.

So wirken Farben

Rot wird als warm empfunden, signalisiert aber auch Gefahr und steigert daher die Aufmerksamkeit, Energie und Ausdauer. Der Farbe Rot werden Eigenschaften wie Kraft, Lebensfreude und Dynamik zugeschrieben. 

Blau wirkt einerseits beruhigend, andererseits anregend und leistungssteigernd. Blau fördert die Kreativität und die Konzentration.

Gelb wirkt freundlich, wird in Verbindung mit der Sonne gebracht und steht für Wärme. Gelb stärkt das Selbstvertrauen, hemmt Ängste und wirkt appetitanregend. Die Farbe wird bei uns mit Glück und Optimismus assoziiert.

Grün ist die Farbe der Natur. Sie steht für Wachstum und Entfaltung, für Sicherheit und Hoffnung. Grün kann Glückshormone auslösen, motivierend und beruhigend wirken und die Regeneration fördern.

Orange führt zu einer Ausschüttung des Belohnungshormons Dopamin im Gehirn. Dadurch steigen Motivation und Lebensfreude. Die Farbe wirkt kräftig, fröhlich, belebend und stimmungsaufhellend auf Menschen.

Farbwirkung ist kulturell und evolutionär bedingt 

Neben dem Licht rufen Farben evolutionär bedingt unbewusste Körperreaktionen hervor. Dabei gelten warme Farben als eher erregend, während kalten Tönen vor allem ein beruhigender Charakter zugesprochen wird. Rot sorgt beispielsweise tendenziell für einen Anstieg der Herzfrequenz, der Körpertemperatur, der Aufmerksamkeit und Leistung, aber auch der Aggressivität. Grün dagegen hat eine entspannende Wirkung. Wir haben nebenstehend einige Farben und die ihnen generell zugesprochene Wirkung dargestellt. Dabei sollte man sich allerdings bewusst machen, dass trotz aller evolutionär bedingten Entwicklungen die Wahrnehmung und das Wirken von Farben dennoch von Person zu Person immer individuell ist.

Die trivialste Möglichkeit, das Training durch die genannten Faktoren zu unterstützen, ist der biologische Ansatz. Dass bläuliches Licht die Cortisolausschüttung begünstigt, haben wir weiter oben bereits erwähnt. Es aktiviert uns also. Dieser Effekt lässt sich durch Tageslichtlampen nutzen, wenn ein Wettkampf in einem anderen Erdteil beziehungsweise in einer anderen Zeitzone stattfindet. „In diesem Fall wäre eine langfristige Anpassung durch Lichteinfluss möglich, indem der zirkadiane Rhythmus bereits am Ursprungsort auf den Rhythmus am Wettkampfort synchronisiert werden kann“, erklärt Wessolowski. Aber auch eine kurzfristige Lichtintervention kann Sinn ergeben. „Man könnte helles Licht nutzen, um bessere Leistungen beim Training zu erzielen“, so Wessolowski. „Allerdings muss man aufpassen, dass man diese Methode nicht unbedingt abends einsetzt. Kurzfristig dürften Sportler gepusht werden, aber die langfristigen Folgen können dramatisch sein in Bezug auf die Leistungsfähigkeit. Man findet später in den Schlaf und erreicht am nächsten Tag ein schlechteres Aktivitätslevel, zudem kommt der zirkadiane Rhythmus durcheinander.“

Durch falsche Anwendung ist eine Überregung möglich 

Der psychische Wirkungsweg von Licht und Farbe ist zugleich der komplexeste. „Es geht in diesem Fall darum, die Effekte auf den Körper und die Psyche auszuprobieren. Das ist ein Prozess, für den nicht alle Sportler die eventuell benötigte Geduld mitbringen“, weiß Christian Daser, Personal Trainer und Neuroathletik-Coach aus Regensburg. So individuell die Wirkung ist, könne man sich dennoch zunächst an den Grundlagen der Farbpsychologie orientieren. „Bei Maximalkrafteinheiten, zu denen ich auch hochintensive Intervalle zähle, bei denen ich richtig reinballere, tendiere ich dazu, Rot zu verwenden“, so Daser. „Je extensiver die Belastung für einen Athleten wird, desto blauer sollte das Licht werden, weil es die Ausdauerleistungsfähigkeit stimuliert.“ Wer nicht unter Kunstlicht in der Pain Cave trainiert, könne sich am Sonnenlicht im Tagesverlauf orientieren, das tagsüber bläulicher erscheine und in den Morgenstunden mehr Rotanteil enthalte. Oder sich eine Brille mit Farbgläsern aufsetzen. Grünes Licht diene derweil der Erholung und könne nach einer Session zur Regeneration eingesetzt werden, gelbes Licht sei in erster Linie kognitiv anregend. Wie stark das Licht scheinen soll, sei ebenfalls individuell.

„Blau ist für uns die neurologisch erregendste Farbe“, erklärt Daser. „Daher würde ich empfehlen, in einer Session eine Zeit lang unter blauem Licht zu trainieren, um sich zu aktivieren, und dann mit Rot in die Aktion zu gehen, weil diese Farbe noch Kraftressourcen herausholen kann.“ Erfahrungen zu diesem Thema hat der Neuroathletik-Coach einige gesammelt. Ein Eisschnellläufer, den er betreute, scheiterte bei Kniebeugen mit Gewichten immer wieder an einer bestimmten Schwelle, ehe Daser ihm eine Brille mit roten Gläsern aufsetzte. „In dem Moment hat er die Schwelle durchbrochen.“

Bei allen positiven Aspekten, die Training unter bestimmten Licht- und Farbbedingungen haben kann, droht im Einzelfall eine Übererregung des körpereigenen Systems. „Es kann vorkommen, dass ein Athlet im Vorfeld durch grünes Licht erst einmal reguliert werden muss, damit er nicht in eine Überspannung gerät, wenn er unter Roteinfluss ein Intervall angeht“, betont Daser. „Jeder Athlet sollte sich herantasten, ob die Reaktion stattfindet, die man sich verspricht.“ Wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, dann sei lichtunterstütztes Training „ein tolles Tool, um seine Leistung zu verbessern“, so Daser. Und nebenbei macht es auch die Sportwelt etwas bunter.

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