Ohne lange Anreise: Das Trainingslager zu Hause
Frühling schon in Sicht? In den kommenden beiden Monaten schielt er vielleicht schon mal um die Ecke, meistens ist es in Deutschland jedoch noch kalt, nass oder sogar verschneit. Für viele Triathleten heißt es deshalb traditionell: Ab in den Flieger zu perfekten Trainingsbedingungen auf den Kanaren oder Balearen. Lange Radausfahrten in kurz/kurz, ein kompletter Service im Hotel und das Urlaubsgefühl sind sicher nur ein paar Annehmlichkeiten, die ein Trainingscamp in der Sonne bietet – und das Fernweh dürfte in diesen Tagen besonders groß sein. Zeitlich oder finanziell bietet es sich eventuell an, eher zu Hause zu bleiben und den Traimningsumfang in den eigenen vier Wänden temporär etwas hochzuschrauben. Wir wollen dir Alternativen zeigen, wie du genau das tun und daheim ein erfolgreiches Trainingslager absolvieren kannst, welche Vorteile es bietet und wie du Tücken umgehst.
Mehr Umfang. Mehr Leistung.
Warum das Ganze?
Betrachten wir das Trainingslager einmal nicht emotional, sondern konzentrieren uns auf das, worauf es wirklich ankommt. Sommer, Sonne und Strand sind selbstverständlich ein nettes „Beiwerk“, das nicht unerheblich die Motivation steigern kann. Doch deshalb absolvierst du kein Trainingslager – in erster Linie willst du deiner Leistungsfähigkeit einen ordentlichen Schub verpassen und von einem höheren Niveau in die weitere Trainingsplanung starten. „Für gewisse physiologische Anpassungen ist ein erhöhter Umfang natürlich auf jeden Fall vorteilhaft. Die Belastung kann aber durchaus entzerrt und dafür mit gezielten Intensitäten aufgewertet werden“, erklärt Coach Björn Geesmann. Diese Intensitäten seien beim „Sommer-Trainingslager“ oft gar nicht mehr möglich. „Besonders gegen Ende eines solchen Camps leidet die Trainingsqualität enorm, weil der Umfang zu extrem gesteigert wurde.“ Das gesamte Setting eines typischen Camps regt natürlich dazu an, viel zu trainieren. Wer allerdings im Trainingslager jede mögliche Einheit mitnimmt und auf einmal das Dreifache des gewohnten Umfangs absolviert, tut sich damit keinen Gefallen. Die gezielte Steuerung ist zu Hause hervorragend möglich. Du kannst sicher sein, dass du dich in deinem persönlichen Trainingsbereich aufhalten und dich weder über- noch unterforderst. Stelle dich darauf ein, dass du während deines Trainingslagers zu Hause deutlich mehr trainieren wirst als im Alltag, jedoch weniger als bei der klassischen Version. Etwa das Eineinhalb- bis Zweifache des Umfangs darf es sein, mehr ist nicht nötig – und das bei einer insgesamt kürzeren Campdauer. Aber dazu später mehr.
Ready for Take-off
Eine entscheidende Rolle bei der Durchführung eines Trainingslagers spielt der Zeitpunkt. Dieser darf gern möglichst früh im Saisonverlauf gewählt werden. Wenn bereits vier Wochen nach dem Ende des Camps der Hauptwettkampf stattfinden soll, hast du dich bis dahin vielleicht schon vom deutlich erhöhten Umfang erholt und profitierst von den Anpassungen, hast jedoch keine Gelegenheit mehr, diese im Training zu verarbeiten. Zu früh solltest du allerdings auch nicht durchstarten, denn dann sind Überlastungen und Frustration programmiert. „Vor dem ersten Trainingslager sollte man bereits mindestens sechs bis acht Wochen strukturiertes Training absolviert haben. Wenn im Anschluss ebenso lange Zeit bis zum Wettkampf bleibt, ist das eine gute Orientierung“, sagt Björn Geesmann. Wenn du für das Trainingslager deinen Jahresurlaub aufwendest, sollte der Zeitpunkt also wohlüberlegt sein. Wie ein Profi mehrmals im Jahr in ein Camp zu fliegen, dürfte für die meisten Agegrouper eher unrealistisch sein – sowohl zeitlich als auch finanziell. Den ökologischen Aspekt wollen wir erst gar nicht zur Diskussion stellen. Beim Trainingslager zu Hause sind all diese Faktoren kein Thema. Du musst dir nicht einmal zwangsläufig Urlaub nehmen – und wenn, dann nur wenige Tage. „Bei einem Trainingsblock zu Hause mit einer hohen Trainingsqualität wären acht Tage mit einem Ruhetag das höchste der Gefühle“, rät der Coach. In diesem Fall würdest du deinen Urlaub dann tatsächlich nach Balkonien verlegen, doch auch wer kürzere Zeiträume zur Verfügung hat, kann enorm davon profitieren. Nutze ein verlängertes Wochenende, beispielsweise über die Osterfeiertage, um dein persönliches Camp durchzuführen. Diese Vorgehensweise kannst du im Saisonverlauf ruhig häufiger wählen. „Wer es schafft, in der Saison vier bis fünf kurze Blöcke einzubauen, hat garantiert mehr davon als von zwei Wochen am Stück, in denen nur möglichst viele Kilometer gesammelt werden“, sagt Geesmann. Bevor es losgeht, muss jedes Trainingslager vorbereitet werden. Bei der klassischen Variante gehört dazu das Kofferpacken – eine eher lästige Aufgabe, die vor dem „Heimlager“ wegfällt. Du kannst nichts vergessen, denn alles liegt an seinem gewohnten Platz.
Umschalten in den Trainingsmodus
Damit du dem Alltag dennoch ein Stück weit entfliehen kannst, ist die Vorbereitung zu Hause ebenfalls das A und O. Sorge dafür, dass nicht nur du selbst, sondern auch die Umgebung und das Material startklar sind. Zwei bis drei Tage vor dem Camp sollte das Training betont locker ausfallen: Bewegung ja, aber keine Intensitäten. Die dadurch gewonnene Zeit kannst du nutzen, um deine Wohnung in ein Hotel zu verwandeln. Du sollst natürlich keine Servicekräfte engagieren, eine klare Absprache mit Familienmitgliedern ist allerdings sehr sinnvoll, um Missverständnisse und Enttäuschungen zu vermeiden. Mache dir einen groben Plan, was du in den kommenden Tagen essen möchtest, und kaufe nach Möglichkeit alles ein, was du dafür benötigst. Du wirst dich darüber freuen, wenn zwischen zwei Einheiten der Gang zum Supermarkt wegfällt – zumal mit knurrendem Magen selten kluge Entscheidungen am Süßigkeitenregal getroffen werden. Das Wichtigste bei einem heimischen Trainingslager: Du solltest dir wirklich eine Auszeit nehmen und es vermeiden, das Training in den normalen Alltag zu integrieren. Björn Geesmann ist sich sicher: „Wer zusätzlich zum achtstündigen Arbeitstag noch vier bis fünf Stunden trainieren will, wird spätestens am zweiten Tag die Segel streichen – das klappt auf keinen Fall.“
Trainingsqualität
Ein entscheidender Vorteil des Trainingslagers zu Hause ist die Trainingsqualität. Diese fällt in der Regel sehr viel höher aus als beim Camp in der Sonne, denn der Fokus liegt nicht darauf, möglichst viele Kilometer abzuspulen. Du trainierst in einem kürzeren Zeitraum, bist jedoch in der Lage, diesen mit hochwertigen Programmen zu füllen, die dich nach vorn bringen.
Gewohnte Umgebung
Bei einem Trainingslager will man eigentlich eines nicht haben: die gewohnte Umgebung. Doch genau die kann ein Vorteil sein. Du kannst ohne Zeitdruck neue Strecken in deiner Heimat erkunden, alles liegt an Ort und Stelle und du musst dir keine Gedanken darüber machen, etwas Wichtiges vergessen zu haben.
Richtig campen
Vor dieser Herausforderung stehst du übrigens nicht allein. Auch der eine oder andere Profi baut regelmäßig Trainingsblöcke ein, die von der normalen Struktur abweichen und in gewohnter Umgebung absolviert werden. „Grundsätzlich kann man zu Hause genauso gut trainieren – man muss nur die Einstellung dazu ändern“, sagt Profi-Triathletin Anne Reischmann. „Dem Training sollte man dann die höchste Priorität geben und sich nicht von Alltagsbelastungen ablenken lassen.“ Während eines normalen Trainingslagers würdest du auch nicht nebenbei die Steuererklärung machen oder einen aufgeschobenen Zahnarzttermin wahrnehmen. Also tu das beim Camp zu Hause ebenfalls nicht. Solche Ereignisse verursachen nur Stress, der in diesem Moment unnötig ist und sich dadurch negativ auf deine Regeneration auswirkt. Auf diese solltest du jedoch einen besonders großen Wert legen. „Im Alltag bleibt die Erholung aus Zeitgründen bei vielen Agegroupern häufig auf der Strecke“, weiß Björn Geesmann. „Besonders bei den hohen Belastungen eines Trainingslagers ist sie aber mindestens so wichtig wie die Einheiten selbst. Man sollte deshalb unbedingt auch dafür gezielt Zeit einplanen.“
Das bestätigt auch Andreas Dreitz. Der Roth-Sieger von 2019 verzichtete in den vergangenen beiden Jahren hin und wieder auf ein Trainingslager im Süden, sieht darin jedoch keinen Nachteil. Sein Training sei insgesamt vielfältiger und die Qualität der Einheiten sehr hoch. Dazu nehme er sich in den Trainingslagern daheim viel bewusster Zeit zur Vor- und Nachbereitung, so Dreitz. „Ich nutze gern die Vorteile vom Training zu Hause: eine bessere Ernährung, Trainings- und Massagegeräte für das Athletiktraining, die Wahl zwischen Mountainbike und Rennrad und einfach die eigenen vier Wände“, erzählt der Erdinger-Athlet. Ein Punkt, der einfach umzusetzen sein sollte, ist der Schlaf. Gönne dir davon nachts mindestens acht Stunden, besser neun oder zehn sowie mittags ein Nickerchen, um zwischen zwei Einheiten wieder frisch und munter zu werden. Regelmäßige Termine beim Physiotherapeuten deines Vertrauens sind ebenfalls ratsam.
Anreise
Der Vorteil der Anreise ist schnell erzählt, denn die fällt bei einem Camp zu Hause weg. Die Zeit kannst du dadurch maximal effizient für das Training nutzen.
Erholung bedeutet jedoch nicht, dass du in den Tag hinein lebst – du bist schließlich nicht im Urlaub, sondern im Trainingslager. Schaffe dir Routinen und setze dir dafür feste Termine. Jeden Morgen eine Runde Yoga, ein kurzer Auftaktlauf oder Muskelpflege mit der Faszienrolle – es ist dein Trainingslager, alles ist erlaubt. Setze dir kleine Highlights, auf die du dich freuen kannst und die das Training im Vergleich zur gewohnten Struktur aufwerten. „Die erste Koppeleinheit der Saison oder die vier- bis fünfstündige Königsetappe auf dem Rad sind natürlich angenehm in der Sonne, man kann sie aber ebenso in der Heimat absolvieren“, sagt Geesmann. Probiere doch mal eine neue Route aus oder fahre mit dem Rad eine weitere Strecke von A nach B – sofern die Wetterbedingungen es zulassen. „Wer ausschließlich auf der Rolle trainiert, muss das nicht fünf Stunden am Stück tun. Mit ein paar eingestreuten G2-Intervallen sind auch drei Stunden völlig ausreichend.“ Anne Reischmann hat noch einen Tipp: „Ich teile eine lange Rolleneinheit gern auf und fahre dann beispielsweise morgens und mittags jeweils zwei Stunden. Das ist mental sehr hilfreich.“ Die Motivation kommt im klassischen Trainingslager schon durch die Umgebung von ganz allein. Doch du kannst auch selbst dafür sorgen. Nutze dein privates Trainingslager dazu, dich einmal wie ein Profisportler zu fühlen und dich auch so zu verhalten. Das mag etwas übertrieben klingen, doch eigentlich ist es genau das, was ein Camp ausmacht. Trainieren, essen, schlafen – mehr gibt es nicht zu tun.
Regeneration
Die Regeneration spielt mindestens eine so große Rolle wie das Training – beziehungsweise ist ein Teil dessen. Im Trainingslager hast du viel Zeit, dieser Bedeutung gerecht zu werden. Regelmäßiger Mittagsschlaf, Massagen oder Physiotherapie bereiten dich optimal auf die nächste Belastung vor.
Trainingslagerpläne von power & pace – für das Camp in deinem Zuhause oder in der Ferne
Du findest ab sofort deinen passenden Trainingslagerplan hier bei power & pace und kannst damit entweder in die konkrete Organisation gehen oder mithilfe des Plans genau diese nun abschließen. Zusätzlich zu den gewohnten 8- und 12-Tage-Trainingslagerplänen erhältst du in dieser Saison auch den 5-Tage-Trainingslagerplan. Dein Coach Björn Geesmann gibt dir in der aktuellen Podcast-Episode wichtige Tipps und Hinweise, wie du den Plan in dein aktuelles Training einbindest, wie das Training im Trainingslager aufgebaut ist und was es mit den 5, 8 und 12 Tagen auf sich hat.
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