Saisonplanung: So bringst du Struktur in deine Saison
Es gibt grob zwei Typen von Menschen und du kannst gleich überlegen, mit welchem du dich eher identifizierst. Typ eins liebt es, im Leben eine exakte Struktur und einen durchgetakteten Tagesablauf zu haben. Selbst eine detaillierte Planung über mehrere Monate im Voraus wäre kein Problem. Typ zwei bevorzugt Spontanität und lässt am liebsten alles auf sich zukommen. Er handelt situativ, oftmals aus dem Bauch heraus und legt sich nicht gern fest. Viele Triathleten gehören eher zur ersten Gruppe, und das ist durchaus von Vorteil, denn ganz ohne Planung wird es schwierig mit einer erfolgreichen Saison und dem Verfolgen eines Ziels. Der Trainingsplan bestimmt die Struktur des Alltags zu großen Teilen und ein gutes Zeitmanagement ist essenziell, um alle Aufgaben unter einen Hut zu bekommen. Doch wer zu verbissen mit der Trainingsstruktur umgeht und keinen Spielraum für Flexibilität lässt, wird früher oder später frustriert sein. Ein cleverer Saisonaufbau liegt irgendwo in der Mitte der zwei Extreme und hilft dir dabei, dein Ziel stets im Blick zu behalten.
Im Zuge der Saisonplanung wird dir sicher schon einmal der Begriff „Periodisierung“ begegnet sein. Die sogenannte Makroperiodisierung meint dabei die gesamte Saison und bedeutet nichts anderes, als dass im Jahresverlauf verschiedene Schwerpunkte gesetzt und die Trainingsinhalte angepasst werden. Diese gilt es dann individuell passend zusammenzusetzen – abhängig beispielsweise vom persönlichen Ziel oder unvorhergesehenen Ereignissen wie krankheitsbedingten Trainingspausen.
Ausgeruht und motiviert
Der erste wichtige Bestandteil einer Triathlonsaison ist die Off-Season. Sie stellt den Übergang zwischen Saisonende und -anfang dar und ist dazu gedacht, nach anstrengenden Monaten wieder aufzutanken, sich zu erholen und neue Motivation zu schöpfen. Das gilt für Hobbysportler ebenso wie für Profis und ist die Grundvoraussetzung, um überhaupt ins Training einzusteigen. „Der Zeitpunkt des Wiedereinstiegs hängt erst einmal davon ab, wann man wieder richtig Lust auf das Training hat und sich bereit fühlt“, sagt Coach Björn Geesmann. Er empfiehlt zwei Wochen Pause – keinesfalls weniger, bei Bedarf gern mehr. „Länger als sechs bis acht Wochen sollte die Off-Season allerdings nicht dauern, da sich die degenerativen Prozesse sonst zu stark ausprägen und der Einstieg unnötig schwerfällt“, so Geesmann. Die körperliche Erholung stehe dabei weniger im Vordergrund als die mentale Komponente. Du solltest während der Saisonpause keiner planmäßigen Trainingsstruktur folgen, sondern Sport eher als eine Art Bewegungstherapie sehen. Lass dich nicht davon beirren, dass in der Off-Season die Leistungsfähigkeit abnimmt. Das ist normal und wird sich schnell wieder anpassen. Dauer und Zeitpunkt der Saisonpause hängen letztendlich von deinem geplanten Hauptwettkampf ab. Für diesen solltest du mindestens sieben bis acht Monate Vorbereitung einplanen.
Stand der Dinge
Wenn du alles richtig gemacht hast, kannst du es nach der Off-Season kaum erwarten, endlich wieder einen Trainingsplan zu verfolgen und hinter möglichst viele Einheiten ein grünes Häkchen zu setzen. Der Einstieg ins Training sollte dennoch ganz behutsam gestaltet werden, denn du hast noch reichlich Zeit. „Jeder, der mental schon wieder voll bereit ist, kann sich während der Eingewöhnungsphase körperlich sogar unterfordert fühlen“, sagt Björn Geesmann. „Das ist prinzipiell gut, doch man darf nicht vergessen, dass die Anpassungsprozesse ein wenig Zeit benötigen, um sich wieder zu normalisieren.“ Die verbleibenden Monate seien vollkommen ausreichend, um die gewünschten physiologischen Veränderungen herbeizuführen. In den ersten Wochen des Trainings brauchst du dir außerdem noch keine Gedanken um deine Leistungen zu machen. „Es geht darum, wieder in Gang zu kommen, und nicht darum, wie viel Watt man denn treten kann“, so der Coach. Deine Schwellenleistung kannst du also getrost um zehn bis 20 Prozent reduzieren. Nach den ersten vier bis acht Wochen Training gilt es, die Karten auf den Tisch zu legen und deine aktuelle Leistungsfähigkeit in allen drei Disziplinen zu bestimmen.
Beim Schwimmen absolvierst du einen sogenannten CSS-Test. Dabei schwimmst du 200 und 400 Meter so schnell wie möglich. Anschließend wird die Differenz aus 400 und 200 Metern (200) durch die Differenz der beiden Zeiten in Sekunden dividiert. Das Ergebnis ist die CSS (Critical Swim Speed oder Schwellengeschwindigkeit) in Metern pro Sekunde, die du dann auf die Zeit für 100 Meter umrechnen kannst. Das Äquivalent auf dem Rad ist der FTP-Test, den du am besten auf einem Smarttrainer absolvierst. Dabei fährst du nach dem Aufwärmen und einer kurzen Vorbelastung 20 Minuten lang „all-out“, jedoch so gleichmäßig wie möglich. Von der dabei erzielten durchschnittlichen Wattleistung ziehst du fünf bis zehn Prozent ab, um deine FTP (Functional Threshold Power) zu errechnen. Anhand dieser kannst du anschließend deine Trainingsbereiche ableiten. Beim Laufen bietet sich ein offizielles 10-Kilometer-Rennen perfekt an, um deine Schwellengeschwindigkeit zu bestimmen. Du solltest dieses allerdings ebenfalls möglichst gleichmäßig laufen können. Alternativ funktioniert das auch über fünf Kilo- meter, dann solltest du die Durchschnittsgeschwindigkeit allerdings ebenfalls um zehn Prozent „verlangsamen“, um deine Schwellengeschwindigkeit annähernd bestimmen zu können. „Mit derartigen Tests kann der Ist-zustand erfasst werden. Das ist super, um dem Training im Anschluss mehr Qualität zu verleihen, indem man es den persönlichen Trainingsbereichen anpasst“, erklärt Geesmann. Wer es genauer wissen will und an individuellen Schwachstellen wie der maximalen Sauerstoffaufnahme oder der Laktatbildungsrate arbeiten will, absolviert eine professionelle Leistungsdiagnostik, bei der das komplette physiologische Profil erfasst wird.
Schwerpunkte setzen
Anhand deiner Stärken und Schwächen kannst du im Saisonverlauf Schwerpunkte setzen, bei denen du dich auf einzelne Aspekte konzentrierst. Diese können sich auf die Physiologie beziehen oder auf die einzelnen Disziplinen. Die zweite Variante bietet sich für alle Athleten an, die entweder deutliche Schwächen in einer Sportart haben oder ihr physiologisches Profil aus maximaler Sauerstoffaufnahme und Laktatbildungsrate nicht genau kennen. Wie die Schwerpunkte gesetzt werden, hängt von der Periodisierungsstrategie ab sowie von der zeitlichen Verfügbarkeit.
„Wer sich auf eine Langdistanz vorbereitet, wird nicht darum herumkommen, irgendwann hohe Umfänge zu realisieren“, sagt der Coach. Um diese als Agegrouper in den Alltag zu integrieren, biete sich die Aufteilung in die Einzeldisziplinen an. Du willst ins Trainingslager fahren? Dann ist dieses dafür prädestiniert, um vermehrt Radkilometer zu sammeln. Im Winter bietet sich ein Laufschwerpunkt an, da die dritte Disziplin weitgehend wetterunabhängig absolviert werden kann. Hier solltest du dich jedoch fragen, ob du einen Laufschwerpunkt wirklich brauchst. Wer bereits viermal pro Woche läuft oder eine Marathonvorbereitung hinter sich hat, kann darauf verzichten. Ein Schwerpunkt im Schwimmen muss differenziert betrachtet werden. „Technisch gesehen ist das sehr sinnvoll, und zwar direkt zum Anfang der Saison. Man kann sich dann darauf konzentrieren, die Technik richtig sauber zu lernen und darauf dann aufbauen“, erklärt Björn Geesmann. Ansonsten sei beim Schwimmtraining die Kontinuität über die gesamte Saison entscheidend. „Wer sich im November überlegt, vier- bis fünfmal pro Woche schwimmen zu gehen, das danach aber nicht ansatzweise beibehalten kann, kann sich diesen Block aus physiologischer Sicht einfach sparen“, weiß der Coach. Besser sei es daher, lieber zwei Einheiten pro Woche im Wasser einzuplanen, diese dann aber wirklich immer durchzuziehen.
Ab in den Süden?
Das Thema Trainingslager haben wir bereits hinsichtlich der Schwerpunktsetzung kurz angerissen. Für Profis sind regelmäßige „Geschäftsreisen“ quasi Teil des Arbeitsalltags. Doch auch für viele Agegrouper gehört ein Camp, meist im Süden Europas, mittlerweile zum guten Ton – und das mindestens einmal pro Jahr für ein bis zwei Wochen. Diesen Luxus muss man sich sowohl finanziell als auch unter sozialen Gesichtspunkten leisten können, wenn beispielsweise der eine oder andere Kompromiss zulasten des Familienurlaubs gemacht werden muss.
„Ein Trainingslager hat immer dann einen Sinn, wenn danach weiterhin Kontinuität angeschlossen werden kann“, sagt der Coach. Das heißt, dass du ein Camp nicht zu früh planen solltest, sondern bestenfalls im Frühjahr, wenn du nach deiner Rückkehr in eine intensive Trainingsphase startest und deine hinzugewonnene Form für diese nutzen kannst. Ebenso solltest du bereits einige Monate Training hinter dir haben, um dich nicht zu überfordern. Wichtig zu wissen ist, dass ein Trainingslager keinesfalls ein Muss ist. Dazu folgende Rechnung: Du trainierst wöchentlich durchschnittlich acht Stunden über einen Zeitraum von 38 Wochen. Das ergibt eine Trainingszeit von 288 Stunden. Wenn du nun in einem Trainingslager theoretisch 20 Stunden trainieren würdest, wären das nicht einmal zehn Prozent der insgesamt aufgewendeten Trainingszeit. Auch steht wieder die Kontinuität über allem. Sie kann nicht durch ein Trainingslager ersetzt werden, bei dem du dich womöglich noch völlig überanstrengst. Eine Alternative können mehrere Trainingsblöcke sein, die du beispielsweise im Rahmen eines verlängerten Wochenendes zu Hause absolvierst. Dennoch spielt bei einem Camp in der Sonne natürlich auch der Spaßfaktor eine große Rolle. Ein wenig Sonne zu tanken und die Radausfahrten bereits früh im Jahr kurz-kurz zu absolvieren, kann deine Motivation steigern, die du für die nächsten Monate brauchen wirst.
Generalproben nutzen
Ein weiterer wichtiger Punkt der Saisonplanung sind Vorbereitungsrennen vor deinem eigentlichen Saisonhighlight. Diese musst du, je nach Beliebtheit und Größe der Veranstaltung sowie des Anmeldeprozederes, bereits früh festlegen. „Vorbereitungswettkämpfe sollte man in erster Linie machen, um Abläufe zu verinnerlichen und zu optimieren. Auch das Equipment und die Verpflegung können unter realistischen Bedingungen getestet werden“, rät Geesmann. Wenn dein Hauptziel eine Langdistanz ist, ist eine Mitteldistanz in der Vorbereitung, etwa sechs Wochen vor dem Highlight, sinnvoll. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse können im Anschluss noch für die letzte Trainingsphase der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung genutzt werden. Kurzdistanzen bieten sich im Training insbesondere zum Üben schneller Wechsel an und sind auch für Langdistanzathleten eine gute Möglichkeit, um Routine zu gewinnen. Bei all diesen Wettkämpfen dürfen dir Fehler und Pannen passieren, denn diese dienen ebenfalls dem Training und können bestenfalls dann im Hauptwettkampf vermieden werden. Trainingsrennen solltest du übrigens genau als solche betrachten: Es ist kein explizites Tapering im Vorfeld nötig und auch danach steigt du wie gewohnt wieder in den Plan ein. Alles geben darfst du natürlich trotzdem.
Ab in die heiße Phase
Vor deinem Hauptwettkampf ist die Phase des Taperings derweil ein absolutes Muss. Das physiologische Training ist nun abgeschlossen und du kannst nichts mehr tun, außer dich unnötig verrückt zu machen und dich zu sehr zu ermüden. „Ich würde empfehlen, das Training auf jeden Fall eine Woche vor dem Wettkampf deutlich zu reduzieren. Vor einer Langdistanz sollte das Tapering mit ungefähr zehn Tagen etwas länger ausfallen“, sagt der Coach. Während dieser Zeit darfst du weiterhin Intensitäten im Training einbauen, nur der Gesamtumfang sollte um ungefähr die Hälfte reduziert werden. Viel länger als zehn Tage sollte das Tapering laut Geesmann nicht dauern. Dies könne dazu führen, dass sich Athleten eher schlapp fühlen, die Spannung verlieren und unnötig an Gewicht zunehmen. Trotz der Komplexität der Sportart Triathlon ist die Saisonplanung insgesamt keine Raketenwissenschaft. Worauf es ankommt, sind Kontinuität und ausreichend Zeit zur Vorbereitung auf dein Highlight.
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