Schwimmtechnik: Der hohe Ellbogen
In ihrem Buch “Kraulschwimmen wie die Profis” bringt es Olympiasiegerin Sheila Taormina auf den Punkt: Jeder Kraulschwimmer hat seinen eigenen Stil, mit hoher oder niedriger Frequenz, mehr oder weniger langen Zügen, intensivem oder Schlepp-Beinschlag, Zweier-, Dreier oder Viereratmung. Doch es gibt ein entscheidendes Element, das alle wirklich schnellen Kraulschwimmer verbindet. “Der hohe Ellbogen während der frühen Phase des Armzugs war immer schon der Teil, der den Unterschied macht zwischen den Meistern und jenen, die sich wundern, warum ihre Zeiten nicht besser werden”, schreibt Taormina.
Schon der große Johnny Weissmüller wusste, wie es geht. Wie sonst konnte der Meisterschwimmer der 1920er-Jahre mit den damals zur Verfügung stehenden Trainingsmethoden eine Zeit von 57,4 Sekunden über 100 Meter schwimmen? Eine Zeit, von der die meisten Hobbyschwimmer bis heute nur träumen können. Weissmüller machte intuitiv das Richtige – und beschrieb es später so: “Der Oberarm sollte angehoben werden, wobei der Ellbogen nach oben zeigt, um so dem Unterarm zu gestatten, fast senkrecht herunterzuhängen.”
Voraussetzungen: Kraft und Beweglichkeit
An diesem Technikbild hat sich bis heute nichts Wesentliches verändert. Die hohe Ellbogenhaltung erzielt beim Kraulschwimmen einen vorteilhaften Hebel, die Kraftübertragung auf das Wasser ist effektiver und stärker nach hinten gerichtet, als wenn man dem natürlichen Impuls nachgibt, den Weg des geringeren Widerstands wählt und den Ellbogen während der Zugphase fallen lässt.
Doch warum schwimmen wir dann nicht längst alle so? Auch dafür hat Taormina eine Erklärung. Der hohe Ellbogen “ist die körperlich unangenehmste und herausforderndste Phase des Unterwasserzugs”. Es sei aufwendig und brauche viel Zeit, dieses Schwimmelement zu verinnerlichen, denn es ist schwieriger zu erlernen als jedes andere Detail. Und anstatt, dass wir uns dieser entscheidenden Aufgabe im Training stellen, würden wir uns eher banalen Dingen wie der Frage Zweier- oder Dreierzug, dem Eintauchwinkel oder der Überwasserphase widmen. Erschwerend kommt hinzu, dass der hohe Ellbogen keine übliche Bewegung aus dem täglichen Leben nachahmt. Stattdessen muss eine Bewegungskoordination eingeübt und automatisiert werden, die dem Körper fremd ist.
Ein großes Fass umarmen
Wichtig zu verstehen ist dabei, dass es nur um das erste Drittel der Unterwasserbewegung geht. Ziel ist es, im Moment des Wasserfassens den Ellbogen aktiv hochzuhalten (Taormina spricht von drei bis zehn Zentimetern unter der Wasseroberfläche), um einen effektiven Abdruck einzuleiten. Im Trainerjargon haben sich für diese Bewegung und das anschließende “Greifen” oder “Halten” des Wassers verschiedene bildliche Beschreibungen etabliert. Eine besagt, der Schwimmer solle sich eine Backsteinmauer unter sich vorstellen, über die er sich rüberziehen will. Eine andere zeichnet das Bild eines großes Fasses, das der Schwimmer “umarmen” soll.
Was man als Athlet für den hohen Ellbogen braucht, ist eine gewisse Beweglichkeit im Schultergelenk. Dazu ist ein kräftiger Deltamuskel von Vorteil, denn dieser Schultermuskel ist für das Heben der Arme verantwortlich. Wer hier schwächelt, wird den Ellbogen bei auftretender Müdigkeit sofort wieder absinken lassen.
Paddeln und Technikkontrolle
Trainiere den hohen Ellbogen zunächst mit verschiedenen Paddelübungen, bei denen die Ellbogenspitzen aktiv nach vorn gedreht werden. Anschließend sollte die gesamte Unterwasserbewegung erst einarmig und dann mit beiden Armen ausgeführt werden. Letztlich verinnerlichst du die Bewegung, in dem du bei jedem einzelnen Zug auf eine gute Ausführung achtest und gerade dann, wenn es anstrengend wird, am Ball bleibst. Genau dann ist der Trainingseffekt am größten.
Übungen
- 4 x 50 m (25 m Hundepaddeln + 25 m Kraul)
- 4 x 100 m (25 m Scheibenwischer + 75 m Kraul)
- Kraul einarmig mit hohem Ellbogen (der passive Arm wird an der Seite, nach vorn gestreckt oder auf einem Brett gehalten)
- Schwimme möglichst eng an einer Trennleine und versuche, den Ellbogen unter Wasser so hoch zu halten, dass du Leine von unten touchierst
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