Zum Wiedereinstieg: Training verstehen
Die Saisonvorbereitung ist für viele Triathleten bereits wieder gestartet. Klar, dass man jetzt gern „so richtig einen raushauen“ möchte, wenn es wieder losgeht. Und auch, dass man es gar nicht erwarten kann, mit dem Training zu starten nach einer Off-Season. Doch Leidenschaft und Ehrgeiz in allen Ehren: Diese beiden Faktoren sind nicht die, die darüber entscheiden, ob ein Training erfolgreich ans Ziel führt und den jeweiligen Athleten sinnvoll durch das Jahr begleitet.
Sinnvolles Training versetzt den Athleten in die Lage, wenig Laktat zu produzieren und bei submaximaler Belastung überwiegend Fett zur Energieversorgung zu nutzen.
Die Wirkung von Training
Training ist, im Gegensatz zu Sport nach Lust und Laune, eine strukturierte Art der körperlichen Be- und Entlastung, die den Athleten in Höchstform bringen soll. Diese Struktur zielt auf leistungsrelevante Anpassungen der Eckpfeiler erfolgreichen Trainings ab. Diese sind, neben der Ernährung, hauptsächlich die Physiologie, also bestimmte Abläufe im Körper, und die Bewegungsökonomie, die beschreibt, wie energieeffizient sich ein Sportler fortbewegt. Beide Kenngrößen tragen dazu bei, den Energiestoffwechsel zu optimieren – mit dem Ziel, den Athletenmotor bei hoher Leistung möglichst lange mit Sprit zu versorgen.
Die Schwelle verschieben
Im Triathlon soll das Training den Athleten befähigen, eine möglichst gleichmäßige Leistung über eine bestimmte Strecke aufrechtzuerhalten. Leistung beschreibt dabei die Belastung, die der Athlet über einen bestimmten Zeitraum halten kann. Die Leistung sollte so hoch wie möglich sein, ohne jedoch die körpereigenen Energiespeicher vorzeitig aufzubrauchen. Dafür ist ein effizienter Energiestoffwechsel notwendig.
Einem Triathleten stehen bei sportlicher Belastung zwei Hauptenergiequellen zur Verfügung: Kohlenhydrate und Fette. Kohlenhydrate sind als Glykogen in der Muskulatur eingelagert, außerdem kann sie der Athlet unterwegs in Form von Riegeln, Gels oder Sportgetränken zu sich nehmen. Da sie schnell Energie liefern, nimmt ihr Anteil an der Energiegewinnung exponentiell zu, je schneller der Sportler unterwegs ist. Allerdings sind sowohl die körpereigenen Speicher (400–600 Gramm, je nach Körperkonstitution) als auch die Aufnahmekapazität (1–1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Stunde) begrenzt, weshalb sich selbst die kürzeren Triathlonformate nicht allein mit Kohlenhydraten als Energielieferant bestreiten lassen.
Anders bei den Fetten. Diese stehen in nahezu unbegrenzter Menge zur Verfügung. Allerdings kann der Körper sie nur vergleichsweise langsam in Energie umwandeln – und er braucht dazu Sauerstoff. Der steht dafür zur Verfügung, solange der Körper nicht zu viel Laktat produziert. Aber je höher die Intensität der sportlichen Belastung wird, desto mehr setzt der Körper den Sauerstoff für die Umwandlung der Kohlenhydrate um und nicht mehr für die Energieumwandlung der Fette.
Zwar produziert der Körper bei den Belastungen im Triathlon nur selten zu viel Milchsäure, sie ist also selten leistungsmindernd, weil die Muskulatur nicht übersäuert. Laktat als solches fällt aber immer an, was wiederum dazu führt, dass der Körper immer auch Kohlenhydrate verbraucht, um es wieder abzubauen. Je mehr Laktat produziert wird, desto mehr Kohlenhydrate werden verstoffwechselt. Das hemmt automatisch den Fettstoffwechsel und kann zu einem energetischen Problem führen: dass die Kohlenhydratspeicher sich leeren und der Athlet „gegen die Wand rennt“.
Achtung, Aufnahme!
Sauerstoff spielt bei der Wirkung von Training eine entscheidende Rolle. Er wird über Lungenbläschen ins Blut abgegeben und dort an rote Blutkörperchen gebunden. Über den Blutkreislauf gelangt er zu Organen und Muskeln, die ihn für ihre Prozesse nutzen.
Sauerstoff hoch, Laktat runter
Der Körper bedient sich bis zum Erreichen der anaeroben Schwelle beider Lieferanten zur Energiegewinnung und verschiebt lediglich deren Anteil an der Energiebereitstellung, je nachdem wie intensiv oder lange sich der Sportler belastet. Bewegt sich der Athlet intensiver darüber hinaus, ist davon auszugehen, dass er dies mittels reinen Kohlenhydratstoffwechsels tut. Es droht nicht nur die Entleerung der Kohlenhydratspeicher, sondern auch eine Muskelübersäuerung.
Verschiebt sich die anaerobe Schwelle jedoch, verändert sich auch das Verhältnis der Energiebereitstellung zugunsten des Athleten. Steigert er beispielsweise seine Schwelle auf dem Rad von 250 auf 280 Watt, wird er künftig bei 250 Watt nicht mehr mit 100 Prozent Kohlenhydraten unterwegs sein, sondern nur noch mit rund 80 (20 Prozent Fettstoffwechsel). Ein großer Vorteil an der Schwelle, aber auch für die submaximalen (und für den Triathlon relevanteren) Leistungen darunter.
Um die Schwelle zu verschieben, gibt es physiologisch im Training zwei Möglichkeiten: Zum einen kann die Sauerstoffaufnahmefähigkeit (VO₂max) erhöht, zum anderen die maximale Laktatbildungsrate (VLamax) gesenkt werden. Denn wer eine hohe VLamax hat, der produziert auch schon bei geringeren Leistungen hohe Mengen an Laktat und verpulvert bereits vermehrt Kohlenhydrate, bevor die anaerobe Schwelle erreicht ist. Bei gleicher Geschwindigkeit oder Intensität verbraucht also ein Sportler mit hoher VLamax mehr Kohlenhydrate als einer mit niedriger VLamax – und hat deshalb eine geringere Dauerleistungsfähigkeit.
Einheiten für VO₂max und VLamax
Verbessern lässt sich die Sauerstoffaufnahmefähigkeit durch jede Belastungsform, die mit einem entsprechenden Umsatz an Sauerstoff einhergeht. Das können zum Beispiel lange, ruhige Einheiten sein. Sie finden meist im Bereich von 60 bis 85 Prozent der Intensität an der anaeroben Schwelle statt und tragen dazu bei, dass sich in der Muskulatur mehr Mitochondrien bilden. Das sind winzige Energiekraftwerke innerhalb der Körperzellen, und je mehr es davon gibt, desto besser ist die Energieversorgung. Die zweite Möglichkeit, um die Sauerstoffaufnahmefähigkeit zu erhöhen, ist eine Intensitätssteigerung. Am besten funktioniert dies über intensive Intervalle im Schwellenbereich, also in einem Tempo, das circa eine Stunde lang gerade durchhaltbar wäre. Hat jemand bereits eine niedrige maximale Laktatbildungsrate, eignen sich auch kurze, aufeinanderfolgende Belastungsspitzen von rund 30 Sekunden Dauer mit einer ebenso langen Pause dazwischen, um die Sauerstoffaufnahmefähigkeit zu verbessern. Die Laktatbildungsrate lässt sich am besten über umfangs- und kraftorientiertes Training steuern und setzt eine Periodisierung der Kohlenhydratzufuhr voraus, sprich: kohlenhydratarme Einheiten. Denn wenn wenig Kohlenhydrate vorhanden sind, kann der Körper nur wenig Laktat herstellen und schult seinen Fettstoffwechsel.
Coole Kraftwerke
Mitochondrien werden häufig als kleine Zellkraftwerke bezeichnet, in denen Adenosintriphosphat (ATP) erzeugt wird. Vom ATP wiederum können Phosphatgruppen abgespalten werden. Die dabei freigesetzte Energie steht Muskeln und Organen zur Umsetzung in mechanische Arbeit zur Verfügung. Je mehr dieser Kraftwerke durch Training gebildet werden, desto besser ist die Energieversorgung.
Bewegungsökonomie: Schneller bei gleicher Leistung
Ein weiterer Faktor, der sich darauf auswirkt, wie viel Energie ein Athlet für welche Geschwindigkeit oder Leistung benötigt, ist die Bewegungsökonomie. Während Triathleten über die Aerodynamik auf dem Rad stundenlang philosophieren können, ist Fortbewegung gegen weniger Widerstand beim Laufen und Schwimmen kaum ein Thema. Dabei kann eine gute Technik und Haltung vor allem im Wasser, das durch seine hohe Dichte ganz andere Fortbewegungseinschränkungen hat als Luft, einen riesigen Unterschied in puncto Hydrodynamik und damit Geschwindigkeit machen. Denn unökonomische Bewegungsabläufe verpulvern Energie, anstatt sie in Vortrieb umzuwandeln. Das heißt im Umkehrschluss: Wer ökonomisch schwimmt und rennt, kann auch dann schneller werden, wenn sich an den Leistungsfaktoren Körpergewicht oder Laktatbildungsrate nicht viel verändert. Ein Beispiel aus dem Laufen: Hier liegen die ineffizientesten Werte bei mehr als 15 Millilitern Sauerstoff pro Kilogramm Körpergewicht, die besten unter acht Millilitern. Das bedeutet, dass ein Athlet mit guter Laufökonomie theoretisch nur halb so viel Energie bei gleichem Tempo braucht wie einer mit schlechter Laufökonomie.
Sinnvolles Training beinhaltet auch Kraft- und Techniktraining, um die Bewegungsökonomie zu verbessern.
Ökonomischer bewegen: So geht’s
Grundsätzlich verbessern auch höhere Umfänge die Bewegungsökonomie, weil sich der Körper dann energiesparende Bewegungsmuster sucht. Da sich mit steigenden Umfängen aber immer auch das Verletzungsrisiko erhöht und viele Athleten gar keine Zeit für noch mehr Training haben, empfiehlt es sich für die meisten Hobbysportler, stattdessen (oder zusätzlich) an ihrer Schwimm- und Lauftechnik zu feilen. Denn Technikübungen, Lauf-Abc und Co. (beziehungsweise die damit verbundenen Technikverbesserungen) helfen dabei, bremsende Kräfte zu reduzieren. Auf dem Plan stehen können Stabi- und Maximalkraftübungen, zum Beispiel Sprünge (plyometrische Übungen), die die Steifigkeit der passiven Strukturen wie des Muskel-Band-Apparats erhöhen. Das kann beim Laufen einen messbaren Unterschied in puncto Effizienz machen.
Durch Kniebeugen oder Kreuzheben verbessert sich die Kommunikation zwischen Nervensystem und Muskulatur, lässt sich die Muskulatur besser ansteuern und wird stabiler. Mit einem starken Rumpf lassen sich zum Beispiel Laufstil und Wasserlage länger halten.
Belastungssteuerung: Gas geben und bremsen
Training kann nur dann erfolgreich sein, wenn es aus einem Wechsel aus Be- und Entlastung besteht. Denn Anpassungsprozesse, die zu einer Leistungssteigerung führen, laufen in den Ruhephasen ab. Diese gibt es im Monats- und Wochenzyklus. Zum Einstieg bietet sich ein 2:1-Rhythmus an, das heißt, zwei Wochen mit insgesamt steigender Belastung, dann eine lockere Woche. Wer schon ein paar Wochen trainiert hat, kann zum 3:1-Rhythmus übergehen. Bei den Ruhetagen gilt: Einer pro Woche ist Pflicht, je nach (nicht vorhandener) Erfahrung und Trainingsstand können es auch zwei oder drei sein. Es gilt das Prinzip: Qualität vor Quantität. Rookies ohne Ausdauersporthistorie sollten anfangs ohnehin nicht mehr als acht Stunden pro Woche trainieren.
Sinnvolles Training gibt dem Körper
genug Erholung zum richtigen
Zeitpunkt.
HF, km/h oder TSS?
Steuern lassen sich die Einheiten über Herzfrequenzmessung, Geschwindigkeit und auf dem Rad und beim Laufen über Wattmessung. Alles hat seine Berechtigung, alles Vor- und Nachteile. Lediglich als grobe Orientierung dienen sollte der Training Stress Score (TSS). Das ist eine Kenngröße, die mittlerweile die meisten Trainingsplattformen ermitteln und die auf metabolischer Basis (eine Stunde Vollgas = TSS 100) Intensität und Umfang eines Trainings in einen Score umwandelt. Der Grund, warum der TSS zwar Orientierung geben kann, aber nicht als alleinige oder bestimmende Art der Belastungssteuerung infrage kommt, ist, dass er wichtige – gerade subjektive – Parameter nicht einbezieht. So erfasst er zum Beispiel nicht die Kohlenhydratperiodisierung, erkennt also nicht, ob der Athlet mit vollen oder leeren Kohlenhydratspeichern in die Einheit gegangen ist oder ob ein Lauf mit Vorermüdung als Koppellauf nach einer mehrstündigen Radeinheit erfolgt oder im ausgeruhten Zustand. Zudem müssen die Leistungsdaten aktuell sein, damit der TSS aussagekräftig ist.
Bei allen technischen Möglichkeiten zur Belastungssteuerung: Das entscheidende Instrument ist das eigene Körpergefühl. Wenn der Hals kratzt und die Körpertemperatur erhöht ist, wird nicht trainiert, egal was ein TSS sagt. Gerade wer mit Standardtrainingsplänen wie denen von power & pace trainiert, muss in sich hineinhören. Denn bei solchen Plänen ist die Trainingsbelastung nicht individualisiert. Das heißt, der Athlet muss mündig und mutig genug sein, um Einheiten auch mal anzupassen, wenn Zeitbudget oder Verfassung es verlangen. Wer merkt, dass er müde ist, sollte gegebenenfalls das Warm-up verlängern oder die Intensität um 10 bis 20 Prozent reduzieren. Hilft das nicht, heißt es: Intensitäten herausnehmen und lediglich den angedachten Umfang absolvieren.
Ehrlich wird am Schnellsten
Zudem ist es wichtig, auch das Umfeld der bevorstehenden Trainingsbelastung möglichst anzupassen. Das heißt: Wird das Training am Folgetag hart, ist besonders auf gute Ernährung und ausreichend Schlaf zu achten. Also kein schwerer Braten und auch kein Alkohol, kein Fernsehen bis in die Puppen, sondern ein leichtes Abendessen wie Fisch und Gemüse, eine gute Lektüre und früh ins Bett. „Beine hoch“ heißt die Devise auch und vor allem am Ruhetag. Selbigen sollten Einsteiger wörtlich nehmen und sich nicht sportlich betätigen. Erfahrenere Athleten können am rad-, lauf- und schwimmfreien Tag Stretching oder Faszientraining (zum Beispiel mit einer Rolle) machen, um bestimmte Regenerationsmechanismen zu aktivieren. Von denen gibt es einige – und nicht alle laufen gleich schnell ab. So sind die Glykogenspeicher und das Immunsystem schon innerhalb der ersten Stunden nach einer Einheit wieder auf Ursprungsniveau. Andere Prozesse wie die Anpassung der Mitochondrien, die größere Steifigkeit der Sehnen oder die Erhöhung der Knochendichte brauchen Wochen bis Monate.
Reizen und regenerieren
Damit Training wirken kann, bedarf es einer Portion an Augenmaß. Ohne Reize kommt man nicht voran. Erfolgen keine oder zu wenige davon, bilden sich die bereits erworbenen Verbesserungen wieder zurück. Doch ein Mehr an Training bedeutet nicht zwangsläufig einen größeren Effekt. Zur Belastung gehört immer auch die Phase der Erholung, in der sich der Körper an den gesetzten Reiz anpassen kann.
Wer zu schnell zu viel möchte, riskiert eine Zwangspause, weil die Strukturen mit der Belastungssteigerung nicht mitwachsen können und sich das in Verletzungen und Überlastungen widerspiegelt. Kontinuität ist König, um langfristig leistungsfähig zu bleiben und leistungsfähiger zu werden. Deshalb gilt es, geduldig und realistisch zu sein. Diese Grundsatzfragen sollte sich jeder Athlet stellen, bevor er sich für einen Trainingsplan (egal ob Standard oder individuell) entscheidet.
> Wie ist deine physiologische/genetische Ausgangsbasis? Bist du medizinisch gesund (Check-up machen lassen)? Welche sportliche Vergangenheit hast du (z. B. Marathonerfahrung)? Wie sehen deine aktuellen physiologischen Daten wie maximale Laktatbildungsrate, Sauerstoffaufnahme etc. aus (idealerweise Leistungsdiagnose beim Profi)?
> Wie sind die zeitlichen, organisatorischen und sozialen Möglichkeiten zum Trainieren? Wie viele Trainingsstunden pro Woche sind realistisch und was ist nicht verhandelbar (Zeit im Büro, Wochenenden mit der Familie, Geschäftsreisen usw.)? Wie viel Zeit bleibt für die Regeneration?
> Welches Ziel hast du? Möchtest du Gewicht verlieren, deinen ersten Triathlon finishen, eine Langdistanz bestreiten oder dir die Hawaii-Quali holen?
Wenn du dir im Klaren darüber bist, wo du stehst und wo du hinwillst, steht einer erfolgreichen Saison mit perfekt angepasstem Training nichts mehr im Wege.
Facts
> Erfolgsfaktor Kontinuität: Gutes Training kannst du ohne zeitliche und körperliche Überlastung absolvieren. Ohne Kontinuität sind keine langfristigen Anpassungen möglich.
> Erfolgsfaktor Flexibilität: Der Plan passt sich an den Athleten und seine körperlichen und zeitlichen Möglichkeiten an. Notfalls auch kurzfristig.
> Erfolgsfaktor Periodisierung: Das Training besteht, sehr vereinfacht ausgedrückt, aus verschiedenen Phasen mit verschiedenen Schwerpunkten in der Jahresperiodisierung und aus verschiedenen Phasen der Be- und Entlastung in der Wochen- und Monatsperiodisierung. Es setzt die richtigen Trainingsreize und gibt dem Körper die Möglichkeit, diese Trainingsreize auch zu verarbeiten.
> Erfolgsfaktor Ganzheitlichkeit: Ein sinnvoller Trainingsplan betrachtet den Sport nicht losgelöst vom Lebensalltag. Er bezieht Job und Sozialleben mit ein und ist so abgestimmt, dass das Training zum Athletenalltag passt und nicht umgekehrt.
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