Wegweiser für das Training
Die vergangene Saison ist abgehakt, die neue steht in den Startlöchern – als Triathlet kannst du es sicher kaum erwarten, wieder hart zu trainieren und deinem persönlichen Ziel jeden Tag ein Stück näher zu kommen. Damit dir das so gut wie möglich gelingt und du weißt, wo du überhaupt anfangen sollst, gilt es nun, den Status quo zu ermitteln, anhand dessen du das Training steuern kannst. Hierzu hast du zwei Möglichkeiten. Du kannst dich für eine professionelle Diagnostik im Labor entscheiden, bei der ein Sportwissenschaftler die Leistungsfähigkeit im Detail prüft. Oder du startest den Selbstversuch und testest, wo die Grenzen liegen, damit du selbige verschieben kannst. Zusammen mit Björn Geesmann, Sportwissenschaftler des Trainingsinstituts HYCYS und Coach von power & pace, erklären wir dir, worauf es ankommt. Beide Varianten haben ihre Berechtigung – abhängig vom Ziel des Athleten. „Egal für welche Art des Testens man sich entscheidet: Sinnvoll ist es nur, wenn man mit den Erkenntnissen auch etwas anfangen und das Training im Nachgang entsprechend anpassen kann“, sagt Geesmann. Bei der gewählten Testmöglichkeit solltest du dir vorher im Klaren sein, wo deine Prioritäten liegen und ob nur der Istzustand bestimmt wird oder auch die zugrundeliegenden Hintergründe.
Optimale Voraussetzungen
Eine Diagnostik, egal welcher Art, ist für jeden interessant, der besser werden will, ein bestimmtes Ziel vor Augen hat und dieses optimalerweise mit einem Trainingsplan verfolgt. Es geht darum, den Plan mit erhobenen Daten zu „füttern“. Du willst schließlich wissen, wie intensiv du trainieren musst, um einen wirksamen Reiz zu setzen. Jetzt kannst du dir vielleicht schon denken, wann der beste Zeitpunkt ist, um eine Diagnostik durchzuführen. „Zum Ende einer Saisonphase können die Erkenntnisse zwar in die darauffolgende mitgenommen werden. Am sinnvollsten ist es aber, wenn kurzfristige Anpassungen vorgenommen werden können und der Athlet unmittelbar profitieren kann“, sagt Geesmann. Das bedeutet, dass du einen Leistungstest, egal welcher Art, in regelmäßigen Abständen wiederholen solltest, um den Trainingserfolg zu überprüfen. Komme aber bitte nicht auf die Idee, die erste Einheit nach der Off-Season für einen Leistungstest zu nutzen. Einige Wochen Training zur Eingewöhnung sollten vergangen sein. Wenn du ebenso einige Wochen zuvor pausiert hast, sind die ersten Lauf- und Radkilometer vielleicht schwergefallen, die eine oder andere Körperstelle hat gezwickt oder du hattest sogar Muskelkater. „Diese Wehwehchen sind normal, sollten aber vorüber sein, bevor man an eine Leistungsdiagnostik denkt“, sagt Geesmann. Bei dieser musst du nämlich an deine Grenzen gehen und in der Lage sein, dich auszubelasten – so gut es die aktuelle Form eben hergibt. Das setzt voraus, dass du bei der Durchführung vollkommen gesund bist und es keine medizinischen Bedenken gibt. Vor einer Diagnostik im Labor musst du dies schriftlich bestätigen, denn es handelt sich dabei nicht um eine sportmedizinische Untersuchung. Ein kardiologischer Check-up im Vorfeld gibt dir Sicherheit und grünes Licht, dass du durchstarten kannst. Zusätzlich solltest du ausgeruht sein und auf eine ausreichende Kohlenhydratversorgung vor dem Testprozedere achten. „Etwa zwei Tage vor der Leistungsdiagnostik oder einem Test sollte nur sehr ruhig oder gar nicht trainiert werden“, sagt Björn Geesmann. „Außerdem sollte man Stress möglichst vermeiden. Abgehetzt nach einem anstrengenden Arbeitstag wird man nicht in der Lage sein, volle Leistung zu bringen“, so der Coach.
Lauftest
Die Schwellengeschwindigkeit beim Laufen wird mit einem Test über fünf Kilometer ermittelt. Wichtig ist dabei, eine Steady-State-Belastung zu erreichen – der aerobe und der anaerobe Stoffwechsel laufen gleich schnell ab und es gibt kein energetisches Defizit. Du solltest so schnell wie möglich und dabei gleichmäßig laufen. So funktioniert es:
> 15 Minuten einlaufen (DLext)
> 2 x 2 Minuten im DLTempo-Bereich mit jeweils 2 Minuten DLext dazwischen
> 10 Minuten locker laufen
> 5-Kilometer-Test
> locker auslaufen
Die Schwellengeschwindigkeit ergibt sich aus der 5-Kilometer-Zeit abzüglich zehn Prozent.
Ab ins Labor
Eine Leistungsdiagnostik im Labor ist für jeden interessant, der seine Leistungsfähigkeit im Detail kennenlernen will. Ist das nur etwas für Profisportler? „Ob man ins Labor geht oder nicht, hängt immer von den eigenen Ambitionen ab“, sagt Björn Geesmann. Auch wer keinen eigenen Trainer habe, profitiere davon. „Ein Muss ist es keinesfalls, doch je weniger Erkenntnisse man über die persönlichen Stärken und Schwächen hat, desto weniger kann das Training individuell angepasst werden und es kann Potenzial verloren gehen“, so der Coach. Im Labor werden mit einer Atemgasmessung (Spiroergometrie) neben der aktuellen Leistungsfähigkeit auch alle Faktoren bestimmt, die an ihrer Optimierung beteiligt sind. Damit werden einzelne Schwachstellen aufgedeckt, die im Training gezielt bearbeitet werden können. „Bei einer Leistungsdiagnostik erhält der Athlet ein vollumfängliches Profil seines Energiestoffwechsels und weiß letztlich, an welchen Schrauben gedreht werden sollte“, erklärt Geesmann. Im ersten Schritt werden das Körpergewicht sowie der Körperfettanteil ermittelt. Dann geht es weiter mit den Testprotokollen auf dem Rad oder Laufband. Bei einer speziellen Triathlondiagnostik wird beides abgedeckt. Doch gerade, wenn du noch nie eine Leistungsdiagnostik hast durchführen lassen, ist das nicht notwendig. „Am Anfang reicht es völlig aus, sich nur auf eine Disziplin zu konzentrieren“, sagt Geesmann. „Welche das sein sollte, hängt vom Fokus der folgenden Trainingsphase ab.“ Wenn du in der nächsten Zeit also beispielsweise ein Trainingslager mit vielen Radkilometern planst, sollte auch die Diagnostik auf dem Rad absolviert werden. Wer im Winter einen Laufschwerpunkt setzen möchte, geht auf das Laufband. „Wenn es keinen bestimmten Schwerpunkt gibt, kann man sich einfach für die Lieblingsdisziplin entscheiden und die andere gegebenenfalls ein paar Wochen später nachholen“, sagt Geesmann. Der Coach erklärt weiterhin, welche Parameter für den gewünschten Erkenntnisgewinn schließlich wichtig sind: „Mit den Tests sollten die maximale Sauerstoffaufnahme sowie die maximale Laktatbildungsrate bestimmt werden. Zudem sollte die akute Leistungsfähigkeit in Form der anaeroben Schwelle ermittelt werden. All diese Faktoren geben dann auch einen Einblick in den Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel, was besonders für die Mittel- und Langdistanz wichtig ist.“ Wer sich für eine Laufdiagnostik entscheidet, sollte im Anschluss außerdem wissen, wie es um die Laufökonomie bestellt ist. Du siehst, nach ein paar Stunden im Labor wirst du mit allerhand Daten nach Hause gehen. Das allein wird jedoch wenig hilfreich sein. „Eine gute Diagnostik erkennt man daran, dass zum Abschluss die Erkenntnisse auch erklärt und eingeordnet werden, damit der Athlet eine Vorstellung davon bekommt, wo Optimierungsbedarf besteht“, fasst Björn Geesmann zusammen.
Test in freier Wildbahn
Sicherlich liefert eine professionell durchgeführte Diagnostik mehr Details als ein eigenständig durchgeführter Leistungstest. Doch auch dieser ist sehr sinnvoll, um Anpassungen vornehmen zu können. Wenn du nach den Plänen von power & pace trainierst, wirst du in den kommenden Wochen einige solcher Tests absolvieren. Einer davon wird wie gewohnt der FTP-Test auf dem Rad sein. Diesen führen wir gemeinsam als Community durch. Mehr Infos zum Event findest du rechtzeitig im Mitgliederbereich hier. Die Abkürzung FTP steht für „Functional Threshold Power“ – vereinfacht gesagt ist das die Leistung, die du theoretisch bei optimalem Pacing etwa eine Stunde lang fahren kannst. Sie wird auch als Schwellenleistung bezeichnet. Der FTP-Test, wie wir ihn mit power & pace durchführen, dauert 20 Minuten. Anhand dessen wird dann die Schwellenleistung errechnet. Gestartet wird mit einem Warm-up. Du fährst dich 15 Minuten locker ein, danach folgen zwei dreiminütige Abschnitte im Entwicklungsbereich (EB) mit jeweils drei Minuten lockerem Pedalieren dazwischen. Dieser liegt ungefähr bei Ihrer zu erwartenden Schwellenleistung (diejenigen, die den Test bei unserem Live-Event am 1. Dezember absolvieren, fahren nach dem Zwift-Protokoll eine etwas abweichende Vorbelastung). Nach weiteren zehn Minuten im Grundlagenbereich ist Vollgas angesagt. Die nächsten 20 Minuten fährst du „all-out“. Doch Vorsicht: Nach den 20 Minuten solltest du das Gefühl haben, dass nicht eine weitere Minute möglich gewesen wäre – gleichzeitig solltest du nicht bereits nach fünf Minuten Schnappatmung bekommen. Das Ziel ist es, gleichzeitig so schnell und gleichmäßig wie möglich unterwegs zu sein. Von der Durchschnittsleistung, die du über die 20 Minuten erbracht hast, ziehst du fünf Prozent (bei vorsichtigerem Ansatz zehn) ab – das ist der FTP-Wert, nach dem du schließlich deine Trainingsbereiche ableiten kannst.
FTP-Test
Der FTP-Test ist eine gängige Methode, um die Schwellenleistung beim Radfahren zu bestimmen. Diese Leistung kann bei perfektem Pacing etwa eine Stunde aufrechterhalten werden. Da dies jedoch sehr schwer umzusetzen ist, wird der Test nur über 20 Minuten absolviert und die FTP im Anschluss berechnet. Das Protokoll funktioniert folgendermaßen:
> 15 Minuten Warm-up
im G1-Bereich
> 2 x 3 Minuten im
Entwicklungsbereich (EB) mit jeweils 3 Minuten
G1 dazwischen
> 10 Minuten locker
fahren (G1)
> 20-Minuten-Test
> Cool-down
Von der erreichten Durchschnittsleistung des Tests werden dann fünf Prozent abgezogen, um den FTP-Wert zu erhalten.
Der Test beim Laufen funktioniert ähnlich. Nach dem Aufwärmen und zwei kurzen Vorbelastungen läufst du fünf Kilometer so schnell und gleichmäßig du kannst. Von dieser Durchschnittsgeschwindigkeit werden zehn Prozent abgezogen.
Das Pendant zur FTP ist beim Schwimmen der CSS (Critical Swim Speed). Dieser Test wird, ebenfalls nach Warm-up und Aktivierung, über 400 und 200 Meter absolviert. Zwischen den Belastungsstufen schwimmst du sehr locker und erholst dich ebenso in einer kurzen statischen Pause. Die erreichten Zeiten werden in Sekunden umgerechnet und in eine Formel eingesetzt (siehe Kasten). Der Vorteil dieser selbst durchgeführten Leistungstests ist, dass sie mit einem geringen zeitlichen Aufwand und einer unkomplizierten Struktur durchgeführt werden können. Die Kosten sind ein weiterer Faktor. Für eine Leistungsdiagnostik im Labor werden rund 200 bis 500 Euro fällig, je nachdem wie detailliert die Auswertung sein soll. Diese Investition lohnt sich, wenn du das Potenzial des Trainings voll ausschöpfen willst, doch sie will auch gut überlegt sein. Ein FTP-Test oder ein Lauftest kann eine Diagnostik nicht ersetzen, doch danach weißt du, wie fit du zum aktuellen Zeitpunkt bist und auf welche Leistung es aufzubauen gilt. Mit einem sinnvollen und abwechslungsreichen Trainingsplan wirst du diese dann auf jeden Fall steigern können.
CSS-Test
Ein CSS-Test ist einfach durchzuführen, aber etwas komplizierter in der Auswertung. Das Protokoll:
> 200 Meter einschwimmen
> Technikübungen
> 2 x 50 Meter Steigerung
> 400-Meter-Test
> 2 x 200 Meter locker mit je 5 Minuten Pause
> 200-Meter-Test
> ausschwimmen
Die gemessenen Zeiten werden in Sekunden umgerechnet. Die Formel zur Berechnung des CSS und einen Link zu einem Online-Rechner finden Sie auf tri-mag.de/tests
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