Wie viel? Wie schnell? Wie oft? Die Intensitätssteuerung im Schwimmen
Reden wir beim Schwimmen nicht mehr über Technik, sondern über das Konditionstraining zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit, lässt sich die Sache leicht auf drei Kernfragen herunterbrechen: 1. Wie viel müssen Sportlerinnen und Sportler im Training schwimmen, um ihre Leistung optimal zu verbessern? 2. Wie schnell sollten sie dabei sein? 3. Wie oft müssen sie das Ganze wiederholen? Die endgültige Beantwortung dieser Fragen ist gewissermaßen der Heilige Gral der Trainingslehre. Selbst die erfolgreichsten Trainer der Welt können sie nicht mit hundertprozentiger Sicherheit liefern. Vielleicht wäre es auch ein bisschen schade drum, wenn dieses Rätsel ein für alle Mal gelöst würde.
Immer im richtigen Bereich
Triathleten schwimmen im Rennen je nach Distanz zwischen sechs Minuten und eineinhalb Stunden. Bis auf die ganz schnellen Schwimmer auf der Volksdistanz bewegen sie sich damit im Bereich der Langzeitausdauer. Für das Trainingsziel bedeutet dies, dass eine Verbesserung der Ausdauerleistungsfähigkeit sowie der Schnelligkeitsausdauer angestrebt wird. Dafür werden nach jetzigem Stand der Sportwissenschaft überwiegend Serien im Bereich der extensiven und intensiven Grundlagenausdauer (G1 und G2) absolviert. Hinzu kommen Aufgaben im Entwicklungs- und Spitzenbereich (EB und SB), um die Grundschnelligkeit zu verbessern. In welchen dieser Trainingsbereiche eine Übung fällt, bestimmt maßgeblich die Intensität. Im Zusammenspiel mit der Belastungsdauer und den Pausen bestimmt sie den Trainingsreiz, den eine Übung auf den Organismus ausübt, und die daraus resultierenden körperlichen Anpassungsreaktionen. Für ein effizientes Schwimmtraining sollte man daher genau wissen, wie schnell man schwimmen muss, um die gewünschten Effekte zu erzielen. Sich dabei ausschließlich auf das Körpergefühl zu verlassen oder einfach anderen in der Gruppe hinterherzuschwimmen, kann trügerisch sein. Besser planbar wird es, wenn man seine Trainingsbereiche zuvor bestimmt hat.
Dazu gibt es verschiedene Methoden, von relativ groben Rechenmodellen bis hin zu aufwendigen Testverfahren im Strömungskanal. Das Nonplusultra auf diesem Gebiet ist ein Stufentest im Schwimmkanal mit Laktatanalyse und Spirometrie. Aus den Ergebnissen können Sportwissenschaftler die Trainingsbereiche, die ein Athlet im Training ansteuern sollte, sehr genau ermitteln. Beim Stufentest wird festgestellt, wie sich die Art der Energiegewinnung bei einem Athleten mit steigender Intensität verändert. Geschwommen werden zum Beispiel sechs- bis achtmal 200 Meter mit einer Steigerung von vier Sekunden pro Stufe und 60 Sekunden Pause bis zur maximalen Erschöpfung. In den Pausen wird Kapillarblut aus den Ohrläppchen des Sportlers entnommen, um die Blutlaktatkonzentration zu messen. Laktat ist in der Sportwissenschaft ein bewährter Indikator für den Grad der Belastung, denn es entsteht als Nebenprodukt bei der Energiegewinnung ohne Sauerstoff (anaerob). Je mehr Laktat im Blut, desto mehr hat sich der Athlet bei einer Stufe angestrengt. Auf den untersten Stufen sollte sich die Laktatkonzentration noch im Gleichgewicht befinden, der Organismus kann das in der Muskulatur entstandene Laktat gleichzeitig wieder verstoffwechseln. Interessant wird es, wenn der Körper bei steigender Belastung mit dem Abbau nicht mehr hinterherkommt. Dann steigt die Laktatkonzentration im Blut, zunächst langsam und dann überproportional. Durch den Verlauf der Laktatkurve erfolgt eine genaue individuelle Analyse der Trainingsbereiche.
Teuer und aufwendig
Problematisch bei der Durchführung ist, dass die Stufen mit einem gleichmäßigen Tempo geschwommen werden sollten, ohne Zwischen- oder Endbeschleunigung. Im Optimalfall findet der Test deswegen in einem Strömungskanal statt, wo das Tempo exakt eingestellt werden kann. Zusätzlich zur Laktatanalyse kann die bereits angesprochene Spirometrie wertvolle Messdaten zur Atmung und Sauerstoffversorgung liefern. Der Sportler atmet dazu während der Pausen in eine Maske, über die die Gasverteilung der ein- und ausgeatmeten Luft gemessen wird. Wegen des nötigen Know-hows und Equipments, das man für einen Stufentest benötigt, ist diese Methode relativ kostspielig und eher etwas für Kaderathleten in der Olympiavorbereitung. Bei vielen Anbietern von Leistungsdiagnostiken gehört sie nicht zum Standardangebot, sondern wird höchstens auf Anfrage durchgeführt.
Glücklicherweise gibt es alternative Verfahren zum Stufentest, die deutlich einfacher in der Durchführung sind. Genannt seien hier der CSS-Test und der 400-Meter-Test. Sie basieren auf empirischen Erfahrungswerten zahlreicher Stufentests und sind folglich weniger individuell als eine eigens durchgeführte Laktatanalyse. In der Praxis haben sie jedoch gezeigt, dass die Resultate den Laborwerten verblüffend nahekommen. CSS steht für Critical Swim Speed und bezeichnet die Schwimmgeschwindigkeit im Bereich der anaeroben Schwelle, also genau jenem Tempo, das besonders für die Verbesserung der Schnelligkeitsausdauer angesteuert werden sollte. Geschwommen werden zwei Maximaltests über 400 und 200 Meter. Anschließend wird die Differenz aus 400 und 200 Metern durch die Differenz der beiden Zeiten in Sekunden dividiert. Das Ergebnis ist die CSS in Metern pro Sekunde, die sich leicht in eine 100-Meter-Zeit umrechnen lässt. Ein Beispiel: Absolviert ein Athlet 400 Meter in 6:30 Minuten und 200 Meter in 3:00 Minuten, ergibt das eine CSS von 0,95 m/s oder 1:45 Minuten pro 100 Meter. Diese Zeit dient nun als Ausgangspunkt für eine Intervallserie mit mehreren 100-Meter-Durchgängen. Dabei gilt für die einzelnen Trainingsbereiche:
Kompensation: 111–122 Prozent der Zeit
G1: 108–110 Prozent der Zeit
G2: 103–107 Prozent der Zeit
EB: 98–102 Prozent der Zeit
Aerobe Kapazität: 94–97 Prozent der Zeit
Anaerobe Kapazität: ≤ 93 Prozent der Zeit
Kontrolle durch Zeit und Puls
Sogar ein einziger maximal geschwommener 400-Meter-Test soll zur Bestimmung der Trainingsbereiche genügen, wenn man der Tabelle von Kuno Hottenrott und Martin Zülch vertraut. Die beiden Sportwissenschaftler leiten die Zielzeiten für 100- und 500-Meter-Intervalle von vielen 6×200-Meter-Stufentests ab. Nachteil: Die Zeiten errechnen sich rein mathematisch und lassen keinen Spielraum für Individualität. Im Einzelfall können die tatsächlichen Trainingsbereiche deutlich abweichen.
Sind die individuellen Trainingsbereiche eines Athleten ermittelt, geht es an die genaue Umsetzung und Komposition des Trainings mit Streckenlängen, Pausen und Wiederholungen. An dieser Stelle unterscheiden sich die Konzepte der Trainer je nach ihrer Trainingsphilosophie zum Teil deutlich. Mehr Ausdauer? Mehr Schnelligkeit? Oder mehr Kraft? Die Suche nach dem Heiligen Gral geht weiter.
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